Die Herzen aller Mädchen
geradezu auf sie gewartet zu haben. Sie hörte ein feines Klirren, Schritte, und der Duft nach Kaffee wurde stärker. Jemand setzte sich aufs Bett. Sie dachte an ihre Frisur und ihr möglicherweise unzureichendes Gesicht, aber eher belustigt, ohne wirkliche Beunruhigung. Sie zog sich die Decke bis zur Nasenspitze und öffnete die Augen. Gregor war hellhäutig, nackt und hübsch. Er lächelte sie an. Auf seiner Rechten balancierte er eine kleine braune Tasse. Bettina dachte, dass sie das alles nur träumte.
»Morgen«, sagte Gregor liebevoll.
»Morgen«, sagte Bettina unter der Decke hervor. Da hörte sie ein gedämpftes Geräusch, das sie kannte.
»Es ist deins«, sagte Gregor und reichte ihr die Tasse. »Das dritte Mal schon. Soll ich es dir bringen?«
»Nein.« Bettina stöhnte und lachte und setzte sich und schüttelte ihre Haare und nahm den Kaffee und sah Gregors Blick und zog die Decke höher und das Handy klingelte in einem fort.
»Ich bin gut im Handykaputtmachen«, erbot sich Gregor.
Bettina lachte wieder und trank einen Schluck Kaffee. Dann stand sie auf. »Ich muss da dran.«
»Ich lass dich aber nicht hier raus.«
Als der Anrufer es nach zwei viel zu kurzen Pausen zum fünften Mal probierte, schaffte Bettina den Weg ins Nebenzimmer zu ihrer Jacke. »Boll«, rief sie noch etwas atemlos in das kleine Telefon.
»Frau Boll!«, sagte Kriminalrätin Syras zuvor so heiß ersehnte Stimme. »Sie sind nicht zu Hause!«
»Stimmt.« Bettina sah das Handy an und hielt es wieder ans Ohr. Sie setzte sich nackt auf Gregors Ledercouch. Er kam ins Zimmer und schenkte ihr einen schmelzenden Blick. Bettina sah ihn an und schüttelte den Kopf.
»Wo sind Sie? Warum gehen Sie nicht ans Telefon?«
Gregor kam auf sie zu. Sie schüttelte heftiger und fuhr sich mit einem Finger über die Kehle. Er grinste.
»Ich, nun, es ist Sonntag. Ich habe keine Bereitschaft und –«
Gregor schob ihre Haare fort und küsste sie auf den Nacken.
»Gut, Ihre Privatsache«, sagte Syra frostig. »Die muss jetzt mal hintanstehen. Wann können Sie in Rosenhaag sein?«
Bettina fragte sich kurz und ernstlich, ob wirklich Sonntag war. Mit den Augen suchte sie das Zimmer nach einem Kalender oder einer Uhr ab, doch entdeckte nichts davon. Gregor setzte sich auf die Rückenlehne der Couch und küsste ihre Schulter.
»Hm«, machte sie hinhaltend und unterdrückte das Kichern, das tief aus ihrem Bauch aufstieg. »Also das – das wird heute schwierig.« Soeben fiel ihr ein, dass ihr Auto mit den Kindersitzen noch in Rosenhaag stand, während sie sich in Gregors Frankfurter Wohnung befand und Enno und Sammy um spätestens elf Uhr in Ludwigshafen abgeholt werden mussten, was möglicherweise nicht mehr lange hin war.
»Frau Boll!«, gellte Syras Stimme da durchs Telefon. »Nach meinen Informationen habe Sie gestern eine private Party von Dr. Ritter besucht und das Fest in Begleitung von Gregor Krampe verlassen. Ich muss Ihnen gewiss nicht sagen, wie unprofessionell das ist. Ein Verdächtiger! In aller Öffentlichkeit! Ihr Auto steht noch in Rosenhaag vor der Tür!« Syra atmete durch und wurde noch um einiges lauter. »Dafür ist erstaunlicherweise der Ovid-Kodex verschwunden! Auf den aufzupassen Sie sich bemüßigt fühlten! Also! Sie richten sich jetzt irgendwie her und schwingen Ihren verdammten Arsch nach Rosenhaag zurück! Und zwar pronto! Und dem Herrn Krampe können Sie bestellen, er wird dort ebenfalls gebraucht. Bis gleich.« Die Verbindung brach ab. Bettina ließ das Handy sinken und die Schultern gleich mit.
»Was?«, sagte Gregor, der zumindest Tonfall und Lautstärke dieser Worte mitbekommen haben musste. »Was ist passiert?«
Lautes Schrillen hinderte Bettina an der Antwort. Ein alter, stylisher Apparat mit Wählscheibe, der auf seinem staubfreien Tischchen wirkte wie aufgedonnerter Junggesellen-Nippes, funktionierte tatsächlich. Durchdringend meldete er einen Anrufer. Und als sei es zur Loyalität verpflichtet, fiel Bettinas Handy sofort mit ein. Seufzend wies sie mit ihrem kleinen Telefon auf Gregors großes. Seine Nachrichten würden dieselben sein. Dann drückte sie den Annahmeknopf und hatte – natürlich – Härting am Apparat.
Als sie dann, von Gregor mit einer neuen Zahnbürste versorgt, in dessen gepflegtem weißem Bad stand, begann Bettina nachzudenken. Diese Wohnung war ein bisschen sehr aufgeräumt. Geputztes Bad, frisches Bettzeug, neue Zahnbürste. Sie setzte sich auf den Badewannenrand und schrubbte
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