Die Herzen aller Mädchen
meinst, der Hauptverdächtige ist immer noch besser als der reiche alte Knacker?«
Gregor hustete. »Ich bin der Hauptverdächtige?«
»Immer gewesen.«
»Dann bist du eine leichtsinnige Polizistin.«
Bettina seufzte.
Wieder blickte Gregor herüber, ernst diesmal. »Okay. Ich erzähl dir was, leichtsinnige Polizistin.«
»Gut«, sagte Bettina.
Erst überholte Gregor einen Audi. Dann trommelte er mit den Fingern aufs Lenkrad. »Wie soll ich es sagen …«
Bettina lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Sie hatte zu wenig geschlafen, um eine lange Geschichte zu erfragen. Heute würde man ihr die Details auf dem Silbertablett servieren müssen.
»Dr. Ritter hat dieses Buch sehr ins Herz geschlossen, wenn du verstehst.«
»Das habe ich gemerkt.«
»Es ist für ihn weit mehr als ein Blick in die Vergangenheit. Er ist Sammler.«
»Tja«, machte Bettina.
»Einer von der angenehmen Sorte«, sagte Gregor sofort. »Er verliebt sich in Dinge, aber er schließt sie nicht weg. Er benutzt sie. Und er teilt mit anderen. Er wollte dieses Buch auf eigene Kosten der Öffentlichkeit zugänglich machen. Das ist bei Sammlern nicht gerade die Regel.«
Bettina nickte ein wenig beschämt.
»Ein guter und gerechter Mann«, sprach Gregor trocken. »Aber irgendwo ist natürlich Schluss. Ritter würde nie dulden, dass man ihm etwas wegnimmt.« Er schenkte Bettina einen tiefen, ernsten Blick.
Ihr Gesicht wurde warm.
»Leider«, fuhr er fort, »ist das Buch aber ein Bastard und könnte von irgendwem stammen. Es könnte gestohlen sein.«
»Ist es ja jetzt auch.«
»Tja.« Er trommelte wieder aufs Lenkrad. »Okay. Also, Ritter war von Anfang an stark beunruhigt wegen der unsicheren Besitzverhältnisse. Jede neue Anfrage machte ihm Angst. Und du hast ja gesehen, wie unermüdlich die Ballier bei uns herumhängt. Die Versicherung traut der anonymen Schenkung nicht.«
»Verständlich«, sagte Bettina.
»Schon, aber das rechtfertigt keine Dauerbelagerung. Die Ballier ist nur da, um uns nervös zu machen, genau wie du.«
»Und ich hatte Erfolg, zumindest bei dir«, sagte Bettina gedehnt. Waits sang von einem Frühstück mit Eiern und Würstchen. Sie bekam Hunger.
»Stimmt.« Gregor blieb bei seinem Thema. »Ritter hat alles Mögliche unternommen, um Landesmittel für die Erforschung des Kodex zu bekommen, denn das wäre eine Anerkennung seines Besitzerstatus. Leider hat es nie geklappt. Wir haben nur Zuschüsse für die neue Bib gekriegt. Der Kodex ist offiziell nicht erwähnt worden, nirgendwo.«
»Worauf willst du hinaus?«
Unruhig fuhr sich Gregor durch die Haare. »Hör zu. Wir waren besorgt, weil es trotz aller Investitionen nie gelungen ist, öffentliche Anerkennung zu erreichen. Das Finanzielle war gar nicht so wichtig, wir wollten nur, dass irgendeiner mal sagt: Okay, hier ist der Kodex gut aufgehoben, hier darf er vorerst bleiben. Denn stell dir doch mal vor, was passieren würde, wenn er zum Beispiel in die Vaticana käme.«
»Was würde denn dann passieren?«, fragte Bettina.
»Na, die Vaticana ist eine Schatzkammer. Da kommt nichts mehr raus. Im besten Fall wäre unser Ovid eine von vielen schwer zugänglichen Schriften. Aber ganz sicher würde niemand versuchen, den Text hinter den Psalmen zu entziffern.«
»Wo doch schon die Bilder schlimm genug sind.«
»Eben.« Gregor seufzte. »Verrückterweise wird aber gerade das Argument der Zugänglichkeit immer gegen uns verwendet. Es heißt, eine private Sammlung sei ein Grab für jedes alte Buch, gegen das Vorurteil kommen wir einfach nicht an. Es hat schon mehrere Versuche gegeben, den Ovid zu beschlagnahmen. Und dann musste noch ein Verrückter meiner Mutter eine Bombe schicken.« Er machte eine Handbewegung zu Bettina hin. »Schwupps, taucht das BKA bei uns auf. Als hättet ihr nur drauf gewartet.«
»Quatsch«, log Bettina.
»Ach, komm. Auch ihr belagert uns. Mit der offenen Absicht, den Ovid zu kassieren und im Namen der Diplomatie für alle Zeiten in irgendeine Asservatenkammer zu verbringen.«
»Nein.«
»Doch. Die Polizei hat in Dr. Ritters Bibliothek gar nichts zu suchen. Eine anonyme Schenkung ist keine Straftat, da gibt es keinen Ermittlungsbedarf. Wenn ihr trotzdem kommt, noch dazu von oberster Stelle, geht es um Politik. Euer Ziel ist nicht Aufklärung, sondern die Demonstration guten Willens nach außen.«
Darauf konnte Bettina wenig erwidern.
»Ihr steht unter großem Druck, das ist uns allen sehr klar«, fuhr Gregor fort. »Ich muss es wissen. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher