Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
»Nach deiner Ansicht sollten wir an diesen Idealen festhalten, obwohl es uns das Genick brechen könnte?«
»Ja.« Sie ging näher zu ihm, bis sie nur mehr von einer Ecke des Tisches getrennt wurden. »Seit ich denken kann, erzählen mir die Leute, worin die Regeln des Lebens bestehen. Meine Großmutter, mein Vater ...« Jetzt drehte sie sich zu dem Mann um, mit dem sie immer noch verheiratet war. »Und du, Sam. Vor allem du. Aber keine dieser Definitionen erschien mir jemals richtig. Und heute – in diesem Augenblick – weiß ich endlich genau, wer ich bin, woran ich glaube. Und ich glaube an unsere Mission. Nie habe ich daran gezweifelt. Die Erklärung, die wir bei der Firmengründung abgaben, betrifft nicht nur SysVal, sondern unser Leben . Qualität, erstklassige Arbeit, Ehrlichkeit, Stolz auf unsere Leistungen, auf die Gewissheit, dass wir jeden Tag in den Spiegel schauen können. Darin liegt der Sinn des Lebens.«
Sams Miene versteinerte, Mitch wirkte nachdenklich. Als sie sich zu Yank wandte, um seine Reaktion zu beurteilen, erschien ihr sein Gesicht so leer wie ein weißes Blatt Papier. Während sie ihre Seele offenbart hatte, war er in seiner eigenen Welt versunken. Anscheinend hatte er kein einziges Wort registriert.
Unglücklich lehnte sie sich gegen die Tischkante. Das Abenteuer würde nun ein Ende finden – sie spürte es. Bald würde sich dieses tapfere, kühne Abenteuer in hässliche schmutzige Machenschaften verwandeln. Weil ihre Partner ihr das antaten, wollte sie ihnen wehtun, und da gab es nur einen einzigen Weg – sie musste die beiden zwingen, die Wahrheit über sich selbst laut auszusprechen.
»Stimmen wir ab.« Ihre Stimme klang hohl. »Informieren wir Databeck über den Fehler oder nicht?«
»Eine Abstimmung unter uns vier ist sinnlos«, protestierte Mitch. »Dass wir verschiedener Meinung sind, wissen wir ohnehin.«
»Trotzdem bestehe ich auf einer Abstimmung, die uns
alle einer Prüfung unterziehen wird. Sofort. In diesem Moment. In dieser katastrophalen Situation muss jeder von uns Stellung beziehen und erklären, woran er glaubt.«
Mitch streckte ihr eine Hand entgegen – eine unbeholfene Geste. Versuchte er ihren Wortschwall einzudämmen? Doch sie wich ihm aus – fest entschlossen, ihren Willen durchzusetzen. »Yank, wie entscheidest du dich? Erzählen wir Databeck die Wahrheit über die Computer?«
Leicht verwirrt blinzelte Yank. »Was? Ja, natürlich erzählen wir’s. So etwas zu verschweigen, wäre ehrlos.«
Susannah starrte ihn an und schöpfte Kraft aus seiner absoluten Gewissheit. In diesem Moment gewann sie eine Erkenntnis, so neu und doch so alt, dass sie nicht verstand, warum es ihr nicht schon längst klar geworden war. Die Vision von einem außergewöhnlichen Geist und Integrität, die Sam wie ein Evangelist in die Welt getragen hatte, stammte von Yank. Sam hatte nur die Worte gefunden, um zu definieren, woran Yank glaubte.
Mit einem zitternden Lächeln dankte sie ihm und drehte sich zu ihrem Mann um. Während sie in seine Augen schaute, drängte sie ein Teil ihres Ichs nach wie vor zu einer versöhnlichen Berührung. Doch es war nicht mehr möglich, das stand einwandfrei fest. »Sam? Bitte, Sam.«
»Manchmal heiligt der Zweck die Mittel«, murmelte er.
»Und unsere Mission? Bitte! Denk an unsere Mission – an alles, was sie bedeutet!«
»Zu viele Menschen hängen von uns ab«, entgegnete er in energischem Ton. »Zu viel Geld steht auf dem Spiel. Deshalb stimme ich mit Nein.«
Da starb in ihrem Herzen der kostbare Funke des Optimismus, ein naiver Glaube an die Unbesiegbarkeit des menschlichen Geistes. Ihre Kehle verengte sich, als sie Mitch aufforderte, seine Entscheidung zu treffen.
Zu ihrer Verblüffung war er blass geworden, seine Worte
klangen abgehackt. »Das ist lächerlich, Susannah. Völlig bedeutungslos. Hier geht es um komplizierte Zusammenhänge, die wir untersuchen und diskutieren müssen.«
All die widersprüchlichen Gefühle, die sie für ihn empfand, drohten sie zu ersticken. »Mitch, ich stelle dich auf die Probe«, flüsterte sie. »Sagen wir’s Databeck oder nicht?«
Langsam senkte er den Kopf und starrte zu Boden. Als sie beobachtete, wie er die breiten Schultern hängen ließ, an die sie sich so oft gelehnt hatte, bereute sie ihre Arroganz. Wie konnte sie sich ein Urteil über Mitch anmaßen? Er war ein guter Mensch, und sie hatte kein Recht, ihm das anzutun.
Mit leiser, trauriger Stimme antwortete er: »Ja, wir sagen
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