Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
Eindringlich erinnerte sie die Belegschaft an SysVals Maxime – die absolute Notwendigkeit, sich bedingungslos für das Produkt einzusetzen.
»Diese Firma wurde stets von Hektik und Durcheinander inspiriert.« Beinahe am Ende ihrer Rede angelangt, lächelte sie der Kamera im kleinen High-Tech-Studio zu. »Solche chaotischen Situationen sind schmerzhaft. Aber sie führen uns auch zum Wachstum. Statt unser Schicksal zu beklagen, wollen wir diese Krise als eine Gelegenheit begrüßen, die Welt zu begeistern. Wenn wir diese Prüfung tapfer
auf uns nehmen, werden wir einen Riesenschritt auf dem weiteren Weg des SysVal-Abenteuers bewältigen.«
Sobald sie verstummt war, läutete das Telefon im Studio, und ihr Assistent teilte ihr mit, Mitch sei am Apparat.
»Fabelhafte Ansprache«, lobte er. »Ist das Leben nicht seltsam? Die ganze Zeit hatte ich das Gefühl, nicht du würdest zu den Leuten sprechen, sondern Sam.«
Susannah umfasste den Hörer etwas fester. »Immerhin ist er ein Teil von uns allen. Und ich hoffe, er hat uns den besten der vielen Wesenszüge gegeben, die in ihm stecken.«
Sams düstere Miene bei der letzten Begegnung verfolgte sie immer noch. Ein paar Mal hatte sie versucht, ihn anzurufen. Aber sie bekam keine Antwort, und niemand wusste, wo er sich aufhielt. Angela war zu seinem Haus gefahren. Dort hatte sie ihn nicht angetroffen, und sie machte sich Sorgen. An diesem Abend beschloss Susannah, selber nachzusehen, bevor sie nach El Camino aufbrechen würde. Mochte die Ehe auch vorbei sein, sie konnte sechs Jahre voller Liebe und Fürsorglichkeit nicht einfach vergessen.
Als sie das Haus betrat, wehte ihr schale Luft entgegen. Die Bronzelampen in der Halle, wie ägyptische Fackeln geformt, waren dunkel, das Wohnzimmer wirkte kalt – dank der scharfkantigen Stuckornamente an der Decke irgendwie bösartig. Wieder einmal erkannte sie, wie sehr sie den schroffen, abweisenden Stil der Einrichtung hasste. Ein Telefon begann schrill zu läuten, und Susannah schreckte zusammen. Minutenlang klingelte es und zerrte an ihren Nerven. Sie blieb reglos stehen, bis der Lärm verhallte, bis die Stille zurückkehrte. Dann ging sie weiter, durch verlassene Räume.
Klickend schaltete sich der Wärmethermostat ein. Im gewölbten Flur, der zum Hintergrund des Hauses führte, sah Susannah einen schwachen grauen Lichtschimmer über dem schwarzen Granitboden. Klopfenden Herzens ging sie
darauf zu und öffnete die angelehnte Tür des Schlafzimmers.
Sam lag auf zerknüllten Laken, unrasiert, die Brust nackt, die Jeans geöffnet. Einen Arm hatte er hinter dem Kopf verschränkt, der andere lag schlaff neben ihm, während er mit leeren Augen die Zimmerdecke anstarrte.
Auf der Bettkante saß eine schöne, dunkelhaarige junge Frau, die nur einen BH und einen Slip trug. Volle Brüste, lange schlanke Beine ... Während sie einen Fingernagel mit einer Papiernagelfeile reparierte, hob sie den Kopf und entdeckte Susannah, noch bevor Sam sie bemerkte. Erschrocken sprang sie auf, und die Nagelfeile hing in der Luft wie der Taktstock eines Dirigenten.
Träge wanderte Sams Blick von der Zimmerdecke zu seiner Frau. Ohne eine Miene zu verziehen, schaute er sie an. Als sie den schwülen Geruch von Marihuana und Sex wahrnahm, krampfte sich ihr Magen zusammen. Eine Staubschicht bedeckte die schwarzen Lackmöbel. Geschlossene Jalousien schirmten den Raum gegen die Außenwelt ab. Am Boden rings um das Bett standen Fast-Food-Kartons und schmutzige Teller. Das Gemälde, das Sam für Susannah gekauft hatte, lehnte mit der Vorderseite an der Wand. Mitten darin klaffte ein Loch in der Größe einer Faust.
»Verschwinde!«, herrschte er die junge Frau an.
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren. Aber offenbar fand sie Susannah zu elegant und einschüchternd, um Widerstand zu leisten. Zögernd sah sie Sam an, der sie nicht beachtete und Susannah unverwandt musterte.
Nur vage registrierte Susannah, wie sich die Frau hastig anzog und an ihr vorbeistolperte. Erst nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war, trat sie näher zum Bett. »Warum tust du dir das an?«
Da begann er wieder die Zimmerdecke zu fixieren.
»Wieso versteckst du dich?«, fragte sie und schob mit einer
Fußspitze ein feuchtes Badetuch beiseite. »Bist du wirklich so feige? Damit wirst du dein Problem nicht lösen.«
»Falls du nicht bumsen willst, hau ab.«
Diesen vulgären Vorschlag überhörte sie geflissentlich. Allein schon der Gedanke, mit ihm zu schlafen, widerte
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