Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
aufzugeben.
Kaum war sie an diesem Abend zu Hause angekommen, stand auch schon Mitch vor der Tür. Er trug nach wie vor seinen korrekten Anzug. Nicht einmal die Krawatte hatte er gelockert. So sehr sie den Moment auch herbeigesehnt hatte, jetzt, wo es so weit war, wollte sie ihn hinauszögern. Zu schmerzhaft hatte der letzte Monat an ihren Nerven gezerrt. Und doch – als sie ihn auf ihrer Schwelle sah, erkannte
sie die Wahrheit. Im Grunde ihres Herzens hatte sie die erotischen Attacken des geliebten Mannes genossen.
Würde die Realität jemals all die Erwartungen erfüllen? Mitch mochte ein guter Liebhaber sein, aber kaum ein grandioser. Zu pedantisch, zu korrekt. Während sie sein Gesicht musterte, verstärkte sich ihr Unbehagen. Wenn sie ihn schockierte? Wenn er Frauen bevorzugte, die sich im Schlafzimmer zurückhaltend benahmen?
»Ich – tut mir Leid«, stammelte sie. »Heute Abend kann ich dich nicht hereinbitten, ich habe furchtbare Kopfschmerzen.«
»Unsinn, du bist nur feige.«
Da schlug sie ihm die Tür vor der Nase zu und floh ins Wohnzimmer. Mit bebenden Händen nahm sie eine Zeitschrift, die sie gar nicht lesen wollte, von der Glasplatte des Couchtisches. Warum musste sie so verrückt nach Sex sein? Da sie Mitch so leidenschaftlich begehrte, würde sie sich nicht beherrschen können. Und sobald er merkte, welch ein hitziges Blut durch ihre Adern floss, würde er entsetzt fliehen. Vielleicht würde er ihr am nächsten Tag ein Memo schicken. VON: Mitchell Blaine AN: Susannah Faulconer THEMA: Unpassendes verhalten im Schlafzimmer ...
Gelassen schlenderte er ins Wohnzimmer und steckte den Schlüssel in die Tasche, den sie ihm Mitte August, beim Einzug in ihr neues Heim, gegeben hatte.
»Diesen Schlüssel will ich wiederhaben«, murmelte sie.
»Stimmt nicht.« Sie starrte hartnäckig die üppig bedruckten Vorhänge an, die Paige für sie ausgesucht hatte. Sie liebte ihn doch so sehr, und sie wünschte, alles wäre perfekt. Aber dies war das wirkliche Leben, kein Märchen. Glücklicherweise fiel ihr ein, dass es noch ein anderes Gesprächsthema als Sex gab, und sie lehnte sich auf der Couch zurück. Wenigstens wollte sie das Unausweichliche noch ein bisschen hinauszögern. »Ich werde SysVal nicht verlassen.«
»Wahrscheinlich hast du gar keine Wahl, Susannah.«
»Sag das nicht!«
Mitch nahm an ihrer Seite Platz. Wie schaffte er es nur, so entspannt zu wirken, während sie völlig verkrampft war? »Willst du das Schicksal von dreihunderttausend Menschen auf dein Gewissen laden? Bis zum Ende deines Lebens? Von diesen kleinen Städten ganz zu schweigen ... Nein, das glaube ich nicht.«
»Aber ich gehöre nicht zu FBT, das ist ein alter, langweiliger, erzkonservativer Saftladen.«
»Genau, und seit dem Tod deines Vaters erbärmlich schlecht verwaltet.«
»Die wollen mich nur als Galionsfigur haben. Das weißt du ebenso gut wie ich. Ich soll Paiges Stimmrecht nur übernehmen, damit mir die Mehrheit des Aufsichtsrats ihre Meinung aufzwingen kann. Oder bildest du dir ernsthaft ein, diese verknöcherten Typen würden mir nur ein winziges Quäntchen Macht zugestehen?«
Lächelnd hob Mitch die Brauen. »Würde es dich nicht köstlich amüsieren, diesen FBT-Bonzen den Marsch zu blasen?«
Nun änderte sie ihre Taktik. »Ich habe keinen College-Abschluss.«
»Und ich kann drei vorweisen. Willst du einen davon haben?«
Offenbar musste sie erneut die Strategie wechseln. »Ich will ein Baby.«
»Wirklich?« In seinen Augen erschien ein warmer Glanz. »Wundervoll! Das hatte ich gehofft. Bisher sind wir noch gar nicht dazu gekommen, darüber zu reden.«
»Über gar nichts haben wir geredet!«, rief sie und sprang von der Couch auf. »Verstehst du’s nicht? Die SysVal-Präsidentin darf schwanger werden. Bei SysVal ist alles möglich. Aber versuch dir mal in deinen kühnsten Träumen vorzustellen,
die FBT-Aufsichtsratsvorsitzende würde am Konferenztisch ihr Baby stillen!«
»Nicht beim alten FBT-Konzern.« Lächelnd stand er auf und trat zu ihr. »Aber beim neuen – mit der aktualisierten Produktionsphilosophie und einer stromlinienförmigen Management-Struktur. Mit einer Kindertagesstätte im Bürogebäude. Oh, Susannah ...«
Kurzfristig überließen sie sich schweigend dieser Vision vom Riesenkonzern mit starkem moralischem Zentrum und echtem Engagement für die Welt, der er dienen würde, einem vorbildlichen Unternehmen kurz vor der Schwelle des einundzwanzigsten Jahrhunderts.
»Jetzt bist du
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