Die Herzensbrecherin: Roman (German Edition)
hatte ...
Als drei sanfte Gongtöne aus dem Lautsprecher drangen, hob sie den Kopf. »Mr. Ames ins Sicherheitsbüro«, bat eine melodische Stimme, und Susannah versuchte sich auszumalen, wie die Frau das Personal vor einer japanischen Invasion auf dem Parkplatz warnen würde.
Eine Stunde lang ließ sie sich die diskreten Ermahnungen und verschleierten Befehle noch gefallen, dann entschuldigte sie sich und betrat das Chefbüro. Im Vorraum wurde sie von einer Schar identisch gekleideter Assistentinnen empfangen, die lederne Aktenmappen und gelbe Schreibblöcke schwenkten und alle durcheinander redeten.
»Mrs. Blaine, wenn ich Sie über Ihre Termine in dieser Woche informieren dürfte ...«
»Mrs. Blaine, Ihre erste Pressekonferenz haben wir für ...«
Abwehrend hob sie eine Hand. »Ich heiße Faulconer. Nennen Sie mich Susannah. Und die nächste Person, die auch nur ein einziges Wort zu mir sagt, wird – das schwöre ich – die Verantwortung für die Reinigung aller Kaffeekannen in diesem Gebäude übernehmen.«
Dann kehrte sie allen den Rücken, betrat das Privatbüro des FBT-Aufsichtsratsvorstands und schloss die Tür.
Abgesehen von den Blumensträußen mehrerer Leute, die ihr zum Einstand gratulierten, hatte sich seit Joel Faulconers Lebzeiten nicht viel in diesem Raum verändert. Langsam wanderte sie umher, berührte vertraute Möbel und Gegenstände – die Bücherregale und tiefen Besuchersessel, die Stehlampe aus Messing. Zu beiden Seiten der breiten Fensterfront hingen goldgelb und blau gemusterte Vorhänge, eine exakte Reproduktion jener schweren Stoffbahnen,
an die sie sich erinnerte. Der massive Schreibtisch ihres Vaters mit der polierten Malachitplatte beherrschte nach wie vor den Raum. Dahinter hing der bronzene FBT-Falke an der Wand, die Schwingen weit ausgebreitet, um den Globus zu umfassen, auf dem er hockte.
Erst jetzt wurde ihr so richtig bewusst, welch schwierige Aufgabe sie erfüllen musste. »O Daddy, was mache ich denn hier?«
Aber an diesen Tag sprach der Vater nicht mit ihr. Vielleicht wusste er, was sie plante.
Um sich abzulenken und zu fassen, öffnete sie die Glückwunschkarten, die aus den Blumenarrangements ragten. Eine stammte von Paige und Yank. Inzwischen war das alte Gästehaus auf Falcon Hill in ein Labor umgewandelt worden, das dem neuesten Stand der Technik entsprach. Yank hatte beschlossen, freiberuflich zu arbeiten. Seine Projekte verteilte er auf SysVal, Sam und andere Auftraggeber, die seine Fantasie anregten. Es amüsierte Susannah unendlich zu beobachten, wie der Mann, den früher nicht einmal eine nukleare Explosion aus der Konzentration seiner Arbeit gerissen hätte, sofort den Kopf hob, wenn Paiges leise Schritte erklangen. Wie er sich erst aufführen würde, wenn sie ein Kind bekam, konnte sich Susannah kaum vorstellen.
Ihre Stiefkinder hatten ihr ein Dutzend Rosen geschickt. Das fand sie sehr aufmerksam, wenn sie auch vermutete, dass Mitch sie dazu angestiftet hatte. Die beiden waren wundervoll, und sie freute sich, dass sie die zweite Ehefrau ihres Vaters freundschaftlich akzeptierten.
Von Angela hatte sie ein Arrangement aus Nelken, Löwenmäulchen und Margeriten bekommen. Bisher war sie die Einzige, der Susannah und Mitch von dem Baby erzählt hatten. Da hatte sie prompt verlangt, das Kind müsse sie »Na Na« nennen. »Nicht ›Granny‹«, hatte sie betont und über die Silbernieten an den Ärmeln ihrer neuen roten Lederjacke
gestrichen. »Dafür bin ich zu jung. Aber ›Na Na‹ klingt hübsch.«
Mit diesem Angebot rührte sie Susannah und Mitch, und beide ahnten im Voraus, welch eine liebevolle Großmutter sie sein würde, ganz egal, wie sie genannt werden wollte.
Durch einen Tränenschleier las Susannah, was die frühere Schwiegermutter ihr geschrieben hatte. »Du wirst stets meine Tochter bleiben. Hau sie alle vom Sockel, Kindchen.«
Nun ging sie zum Schreibtisch. Nach kurzem Zögern nahm sie in dem wuchtigen Ledersessel Platz, der ihrem Vater gehört hatte. Auf der Malachitplatte lag die vertraute Schalttafel, mit der er die Obeliskenbrunnen ein- und ausgestellt hatte. Susannah notierte sich, dass sie das Gerät entfernen lassen würde. Von solchen Machtsymbolen hielt sie absolut nichts.
Als sie den Notizblick beiseite schob, entdeckte sie ein Päckchen, in Silberfolie gewickelt. Sicher nicht von Mitch ... Sein Geschenk hatte sie an diesem Morgen auf dem Nachttisch gefunden, als sie erwacht war, und vor seinen Augen ausgepackt –
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