Die Herzogin, ihre Zofe, der Stallbursche und ihr Liebhaber
sie direkt gegen eine Masse dunklen, von grauen Strähnen durchzogenen Haars, das sie im ersten Tageslicht gerade eben erkennen konnte. Die Herzogin, ihre Herrin. Das war sie nun in mehr als einer Hinsicht.
“Gnade”, flüsterte sie sehnsüchtig vor sich hin, während die Erinnerung wiederkam. Es war furchtbar schade, dass Madame nicht mehr Vergnügen gehabt hatte. Oh, sie hatte ihren Spaß gehabt – dafür hatte Sylvie gesorgt –, aber es war klar, dass sie keine Vorliebe für Frauen als Bettgefährten entwickelt hatte. Sie war auch nicht wie Sylvie selber, die Frauen ebenso interessant fand wie Männer und manchmal ihrem eigenen Geschlecht gegenüber tiefere Gefühle entwickelte.
Sylvie seufzte. Madame hätte sich völlig anders verhalten können. Ein winziger Hinweis von ihr, und Sylvie hätte sich willig fesseln, knebeln, sich die Augen verbinden, sich schlagen und auspeitschen lassen. Hätte die Herzogin diese Dinge mit ihr getan, wäre es die reine Ekstase für sie gewesen. Allein bei der Vorstellung erschauderte Sylvie vor Erregung. Wenn sie ihr die Möglichkeit gab, würde Sylvie der Herzogin beibringen, all diese Dinge zu lieben und zu genießen. Ja, es war jammerschade, dass Madame nicht vergessen konnte, wie der Herzog sie allzu oft behandelt hatte. Das war die Wurzel des Übels. Wenn es ihn nicht gäbe, hätte Madame viele der Dinge genossen, die er ihr für alle Zeit verdorben hatte.
Nachdem Sylvie aufgestanden war, drehte sie ihr Haar zu einem unordentlichen Knoten zusammen, dem sie mit einigen Schreibfedern Halt gab, welche sie in den Taschen des Schulmeistertalars fand. Dann suchte sie nach einem Tuch und wusch sich. Sie hatte Zahnpuder zur Hand, aber ihre Zahnbürste war in den Tiefen der Satteltaschen vergraben, also behalf sie sich mit ihren Fingern. Anschließend nahm sie sich einen Moment Zeit, ihren Kiefer zu massieren. Sie hatte allein mit ihrem Mund wie eine Wilde gearbeitet, um Madame zu befriedigen.
Schon bald würde das Zimmermädchen kommen. Sie würde nicht wissen, dass in der vergangenen Nacht angeblich ein Junge und ein Mann in dem Zimmer geschlafen hatten, sodass es nicht nötig war, ihre Verkleidung bereits jetzt wieder anzulegen. Falls sie sich dennoch herausreden mussten, hatte Sylvie sich eine Geschichte zurechtgelegt. Sie würde behaupten, sie seien zwei Dirnen, die der Schulmeister zu sich bestellt hatte, und der arme Junge sei in den Stall geschickt worden, um dort beim Reitknecht zu schlafen. Nach dem, was Madame beim Abendessen in der Gaststube mit dem Knecht angestellt hatte, würde niemand diese Geschichte bezweifeln.
Sylvie entfernte das Hindernis, das sie am vergangenen Abend vor der Tür aufgebaut hatte, wobei sie darauf achtete, die Satteltaschen anzuheben und sie nicht über den Fußboden zu schleifen, um die Herzogin nicht zu wecken. Den Waschtisch zu bewegen war schwieriger, aber sie zog ihn vorsichtig Stück für Stück beiseite, bis die Tür wieder passierbar war. Die Herzogin schlief immer noch tief.
Sylvie ging zum Bett und setzte sich dicht neben sie. Bewundernd betrachtete sie die sanfte Kurve, in der ihr Rückgrat in ein üppiges Hinterteil überging, und die festen Sehnen an den Rückseiten ihrer Schenkel. Sie dachte darüber nach, von oben nach unten über den nackten Körper ihrer Herrin zu streichen, entschied sich dann aber dafür, sich wieder ins Bett zu kuscheln. Dort schlang sie den Arm um die Taille der Herzogin, sodass ihre Fingerspitzen ganz leicht den sorgfältig enthaarten Venushügel berührten. Vielleicht war es ihre letzte Chance, ihrer Herrin so nah zu sein.
Als von außen jemand mit den Fingerknöcheln gegen die Tür klopfte, fuhr Sylvie aus dem Halbschlaf hoch. Bevor sie aus dem Bett springen konnte, wurde die Tür geöffnet. Sylvie versuchte, gelangweilt und übersättigt zu wirken, scheiterte aber kläglich, als sie feststellte, dass nicht das Zimmermädchen in den Raum getreten war, sondern der Stallbursche in der Türöffnung stand.
“Mach die Tür zu!”, zischte sie ihn an, während sie sich aus dem Bett rollte. Sie hob ihre ledernen Reithosen vom Fußboden auf, stieg hinein, ließ aber den Taillenbund offen. Wenigstens hatte Henri genug Verstand, um zu tun, was man ihm sagte. Er lehnte sich gegen die geschlossene Tür und starrte zum Bett hinüber. Sylvie rollte mit den Augen. Dachte er etwa, Madame würde ihm allein gehören?
“Eifersüchtig?”, erkundigte sie sich ironisch.
“Nicht … direkt”, erwiderte Henri.
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