Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
dein Seelenheil im Sinn. Diese Welt ist ein Jammertal, wir alle müssen leiden, es gibt Hunger und Krankheit, der Tod ist unausweichlich. Den einen ereilt er gnädig, der andere wird durch das Schicksal zu Tode gemartert. Das alles ist Gottes Wille. Darauf kommt es auch gar nicht an. All dieses hier ist nur ein Übergang. Was wirklich zählt, ist das, was danach kommt, die Ewigkeit. Unwichtig, dass wir hier auf Erden eine kurze Zeit leiden müssen, wenn die Ewigkeit uns doch das Paradies bringt.«
Sollte das eine Predigt werden? Luzia bewegte sich unruhig in ihren Ketten und Noß hob besänftigend die Hand. »Luz, du hast die Prioritäten vertauscht. Für ein klein wenig Wohlbefinden vergisst du, was dich nach dem Tode erwartet. Die Seele ist ein kostbares kleines Ding. Wenn wir sie nicht sehen, bedeutet das nicht, dass es sie nicht gibt. Überlege: Ein Dämon bezahlt eine unvorstellbare Menge dafür. Je nach Verhandlungsgeschick kannst du eine Million Gulden, Gesundheit und ein Leben dafür bekommen, das achthundert Jahre währt. Millionen Gulden.«
Vor Staunen vergaß Luzia fast die Schmerzen in ihren Schultern. Das durfte doch nicht wahr sein! Allerdings – wenn ein so hoher Herr es behauptete … Mit weit aufgerissenen Augen sah sie den Zentgrafen an. Er lächelte mild. »Weißt du überhaupt, welche unendliche Menge Geld eine Million ist? Und achthundert Jahre in Wohlstand und Gesundheit leben! Dazu alle Annehmlichkeiten, die wir uns nur erdenken: das beste Essen, einen Palast, Anerkennung, Macht. Endlos erfüllte Wollust, Beischlaf mit Männern, die einem nicht die Beschwernis eines Kindes machen, die ganze Nacht rammeln und am nächsten Morgen noch nach Veilchen duften. Konntest du das aushandeln?«
Davon also redete er, was mächtige Zauberer mit dem dunklen Herrn ausmachten. Nun, soviel wusste sie von der schwarzen Kunst, dass man es gar nicht versuchen sollte. Wer nicht jahrelang das Handwerk studierte, wurde unweigerlich betrogen. Sie biss die Zähne zusammen und sah ihn aufrecht an. Mit so was hatte sie nichts zu tun. Noß seufzte auf, als er das sah. »Gab er dir das? Wenn nicht, dann wurdest du beschissen. So viel ist eine Seele nämlich wert und noch viel mehr. Lass mich erklären: Du findest im Nachlass deiner Großmutter einen alten, verstaubten Rahmen, von dem du nicht weißt, ist es ein Bild, ist es ein kaputter Spiegel. Egal, das olle schwarze Ding kommt zum Müll. Ein Lumpenjude sieht den Haushalt durch, gibt einen Kreuzer für die Milchkanne, fünf Kreuzer für den Wäschekasten und zehn Kreuzer für den Bilderrahmen. Du freust dich über einen halben Gulden für alles und kaufst dir Zutaten für ein neues Kleid. Danke, Oma. Und am nächsten Tag hörst du, das olle Ding ist ein lange verschollenes, wertvolles Gemälde und wurde vom Fürsten angenommen für zehntausend Gulden! Beschiss, nicht wahr? Du tobst und schreist, aber alles nützt nichts. Der Lumpenjude ist fort, verkauft ist verkauft. Genauso ist es auch mit der Seele. Ein Dämon zahlt dir Unvorstellbares dafür. Und doch ist es so, als ob du vom Trödler zehn Kreuzer für das Gemälde bekommst: Beschiss. Luz, ich bin hier, damit du dich besinnst. Du hast etwas unendlich Wertvolles: eine Seele. Du hast sie verschenkt, was auch immer du dafür bekamst. Bald wird dir der wahre Wert bewusst und du tobst und schreist. Noch ist es Zeit. Mache den Verkauf rückgängig. Besinne dich. Ich kann dich reinigen und befreien. Vertraue mir.«
Er sprach so eindringlich, so einfühlsam, dass alles in ihr sie drängte, ihm doch zu glauben. Nur die Schmerzen in ihren Schultern hinderten sie daran. »Bitte«, stöhnte sie, »bitte, Euer Gnaden, bitte lasst mich los!«
»Gerne, Luz, gerne. Du weißt, dass du das nicht lange aushältst, nicht wahr? Wenn deine Füße dich nicht mehr tragen, wirst du dir die Schultern ausrenken. Das kann man wieder einrenken, dafür sind die Ärzte gut, aber nur, wenn sie es schnell tun. Auch dann wirst du den Rest deines Lebens immer wieder Beschwerden damit haben. Körperliche Arbeit gerät für dich zur Qual. Lasten, vielleicht einen Eimer oder ein Buch tragen, eine Kleidertruhe verrücken, ja, ein Kind zu heben, das alles wird für dich mit Schmerzen verbunden sein, wenn wir nicht schnell handeln. Und vielleicht brechen auch die Knochen. Ach, Luz, du weißt ja gar nicht, wie ungern ich dir das antue. Aber es muss sein. Nur damit kann ich dich dazu bringen, dass du über dich selbst nachdenkst, ob all das es wert ist,
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