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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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haben, denn sein linkes Auge zierte ein Veilchen, und die Wunde auf der Stirn war frisch verkrustet. Mit einem dicken geschälten Weidenprügel fuchtelte er angriffslustig herum.
    »Glaubst vielleicht, einer hier gäbe mir noch Arbeit? Muss mir mein bisschen Brot jetzt eben auf andere Weise beschaffen, ob es dir nun passt oder nicht. Und was deine geschwätzige kleine Hure betrifft – mit der bin ich noch lange nicht fertig. Richte ihr das gefälligst aus!«
    Gut möglich, dass es nur leere Drohungen waren, die Kassian da ausgestoßen hatte, aber sie beunruhigten Johannes doch sehr, mehr vielleicht noch als Lena selbst. Die junge Köchin schien so großes Vertrauen in ihn zu setzen, dass seine Angst wuchs, sie zu enttäuschen. Lena ging ihm ohnehin nicht mehr aus dem Sinn, und manchmal schämte er sich beinahe, weil sie sein ganzes Denken und Fühlen bestimmte. Dass sie ihn zu mögen schien, war einerseits beruhigend, andererseits vielleicht sogar das Schlimmste von allem. Denn so verzückt wie diesen vorlauten Herzogsbastard, der die Laute meisterhaft schlug, hatte Lena ihn noch niemals angesehen. Wahrscheinlich hielt sie ihn für genau das, was er eben auch war: ein schüchterner Langweiler, der über seinen Akten schwitzte.
    Plötzlich hatte er Lust, alles vom Tisch zu fegen.
    Innsbruck war nicht der erste Hof, den er durch seine Arbeit näher kennengelernt hatte, und eine ganze Weile war es ihm vorgekommen, als habe er genau hier den richtigen Platz gefunden. Aber sollte sein Leben wirklich so verstreichen, als schlecht besoldeter Büttel irgendeines Fürsten, der auch noch Dinge von ihm verlangte, die er mit seinem Gewissen eigentlich gar nicht vereinbaren konnte?
    Dieser Frühsommer mit seiner milden Luft und seinen warmen Nächten war ihm tief unter die Haut gekrochen und hatte Sehnsüchte in ihm erweckt, die ihn immer öfter um den Schlaf brachten. Jetzt mit Lena auf einer Wiese zu liegen, ihr dunkles Haar zu berühren, ihre weichen Lippen zu küssen … Ganz schwindelig wurde ihm, wenn er nur daran dachte.
    Stattdessen war er hier im Kontor eingesperrt, unfähig allerdings, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Johannes atmete tief aus, dann nahm er das Schreiben aus Augsburg erneut zur Hand, das er inzwischen so oft gelesen hatte, dass er jedes Wort auswendig wusste. Er hatte recht gehabt mit seiner Einschätzung, wenngleich das Haus Fugger sich für die Inspektion ein wenig mehr Zeit gelassen hatte, als er zunächst befürchtet hatte. Jetzt aber war der Besuch für die Woche nach Johanni angekündigt, was den Spielraum des Herzogs drastisch verkürzte.
    Sie würden fündig werden, so viel war gewiss.
    Denn alle Maßnahmen, die Merwais getroffen hatte, konnten eines nicht vertuschen: dass Herzog Sigmund dreist das Erz stehlen ließ, das er eigentlich dem findigen Kaufmannsgeschlecht vertraglich teuer verpachtet hatte. Das Schreiben war sachlich gehalten, der Tenor jedoch ausgesprochen frostig; die Fuggerschen hatten die üblichen Höflichkeitsfloskeln so sparsam verwendet, dass es fast schon wie eine Brüskierung klang.
    Wie anders dagegen der Brief, der wohl eher zufällig zwischen seine Aktenstücke geraten war! Von Bischof Golser aus Brixen stammte er, war abgefasst von seinem Notarius Rasso Kugler in einer Schrift, so makellos gestochen, dass bei Johannes sich leiser Neid regte. Güte und Besonnenheit sprachen aus den Zeilen, wenngleich der Bischof nicht mit seiner Verwunderung hinter dem Berg hielt, dass Herzog Sigmund ausgerechnet den berüchtigten Inquisitor als Geisterjäger an seinen Hof gerufen hatte.
    … von seiner Gefährlichkeit habe ich ja bereits ausführlich zu Euch gesprochen. Und was ich jüngst aus Ravensburg zu hören bekomme, kann diese meine Meinung nur weiter bestätigen … hat dort offenbar eine neue Prozesswelle in Gang gesetzt, die wütet, als wolle er alles, was weiblichen Geschlechts ist, in Grund und Boden stampfen. Eva habe als Erste die Sünde über die Welt gebracht, so Kramers Argumentation, und sei damit zur verderbten Komplizin Satans geworden, deren Nachfahrinnen es mit allen Mitteln zu bekämpfen gelte. Freilich scheint der gelehrte Pater dabei vergessen zu haben, dass es eine Frau war, die uns den Heiland geschenkt hat: die gute, reine Gottesgebärerin Maria … beschwöre ich Euch, Euch vor diesem gefährlichen Mann zu hüten. Falls er noch einmal nach Innsbruck zurückkehren sollte, wovor der Allmächtige uns schützen möge, so gebt mir augenblicklich Kenntnis

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