Die Hexe und der Herzog
paar heilende Kräuter, die manchmal helfen. Und was das Kind betrifft …«
»Komm schon, Wilbeth, zier dich nicht so! Einen deiner Zaubersprüche – um der alten Zeiten willen. Du sollst dein Silber ja bekommen. Nur wirksam sein muss er.«
»Eure Kleine ist sehr krank. Gut möglich, dass der Allmächtige sie schon bald wieder zu sich nimmt. Ihr solltet ihr die kurze Zeit auf Erden so schön und leicht wie möglich machen.« Wilbeth schaute zu Gundis. »Hat sie genügend Milch, um sie zu stillen?«
»Woher soll ich das wissen? Sie lallt ja nur noch sinnloses Zeug vor sich hin!«
»Dann müsst ihr euch schleunigst um eine gute Amme kümmern. Und wenn ihr auf die Schnelle keine findet, der Kleinen einstweilen verdünnte Ziegenmilch geben, damit sie nicht verhungert.«
»Du willst uns also nicht helfen.« Berta wich ein Stück zurück.
»Was du da von mir verlangst, geht weit über meine Fähigkeiten hinaus. Dieses Kind hier ist dem Tod geweiht. Dagegen gibt es keinen Zauber, Berta.«
»Ambros hat es gleich gesagt. Und ich hab dich noch vor ihm verteidigt!«
»Ist sie denn schon getauft?«
»Was geht dich das an?«, schrie Berta. »Du hast doch ohnehin niemals an den dreifaltigen Gott geglaubt, sondern schleichst bis heute heimlich zu deinen heidnischen Götzenfiguren, um ihnen zu opfern, zu Ambeth, Wilbeth und Borbeth …«
»Barbara!«, brüllte Gundis und bäumte sich im Bett auf. »Sie hat mich verf lucht – und die Frucht meines Leibes … Brennen soll sie … diese Hexe!«
»Ja, das ist sie wirklich – eine unselige Hexe«, fiel nun auch Berta ein. »Diese verfluchte Hebamme, die schon unsere liebe Margarete auf das Totenbett gebracht und meinen Ambros mit dummen Anschuldigungen beleidigt hat. Und die geschwätzige Totenwäscherin, von mir aus gleich mit auf den Scheiterhaufen! Beides deine Busenfreundinnen, oder etwa nicht? Wie hab ich nur so dumm sein können, Hilfe von dir zu erwarten? Wo du doch dein ganzes Leben lang immer nur an dich gedacht hast!«
Wilbeth ging schweigend zur Tür. Sie hätte niemals hierherkommen sollen. Doch für diese Einsicht war es jetzt zu spät.
»Da draußen ist eine alte Walsche, die dich unbedingt sprechen will. Aber mach es gefälligst kurz!«, zischte Chunrat Lena im Vorübergehen zu, bevor er sich wieder an seine Hühnerschenkel machten, die in Rotwein sotten. »Du weißt genau, wie viel Arbeit noch auf uns wartet!«
Lena wischte sich die klebrigen Hände an der Schürze sauber und wollte gerade zur Tür, als Bibiana schon vor ihr stand. Die Alte drehte den Kopf mit den grau melierten Flechten und schnalzte leise mit der Zunge, wie sie es immer tat, wenn sie sich nicht ganz sicher fühlte.
»Ist etwas passiert?«, stieß Lena hervor. »Mit Sebi? Oder mit Els?«
»Wo denkst du hin!«, erwiderte Bibiana. »Ich hab nur mal mit eigenen Augen sehen wollen, wo du jetzt steckst. Was wird denn da gerade gar?« Sie beugte sich über Lenas Topf und schnüffelte. »Ah, Quittenmus!« Sie griff nach einem Löffel, tauchte ihn ein und kostete. »Gar nicht so übel. Aber zu süß. Da fehlt noch ein ordentlicher Schuss Zitrone.«
»So weit war ich noch gar nicht«, verteidigte sich Lena. »Glaubst du wirklich, ich würde dein schönes Rezept verpfuschen?«
»Und was ist das daneben?«
»Creme aus gestoßenen Mandeln und Reismehl, behutsam geköchelt, mit Honig vermengt...« Lena stieß einen Schrei aus. »Pass auf, du verbrennst dir noch den Mund!«
Bibiana probierte ungerührt. »Aber das Bittermandelaroma?«, sagte sie. »Diese Creme muss doch genauso sein wie das Leben: süß und bitter zugleich.«
»Steht ebenfalls schon bereit. Vily hat die bitteren Mandeln extra im Mörser zerstoßen, genau so, wie du es mir gezeigt hast.«
»Mir scheint, da komm ich ja gerade richtig.« Bibiana griff in ihren Korb und nahm diverse Tontöpfchen heraus. »Ziemlich leer dieser Tage im ›Goldenen Engel‹. Hatte genügend Zeit zum Kandieren.« Der runzelige Zeigefinger deutete nacheinander auf die einzelnen Gefäße: »Grüne Walnüsse. Mandeln. Rosenblätter. Und Veilchen, meine kleinen Lieblinge. Vielleicht kannst du ja gelegentlich etwas davon verwenden.« Ihr weicher ladinischer Dialekt verlieh den Worten eine zusätzliche Bedeutung.
Lena strahlte sie an, auch wenn es ihr gleichzeitig das Herz zusammenzog, denn außerhalb der schützenden Mauern des »Goldenen Engels« erschien ihr Bibiana in ihren dunklen, altmodischen Gewändern gebrechlicher als sonst.
»Lena!«,
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