Die Hexe und der Herzog
Sommerwiese – kaum daran sattsehen konnte sie sich. Auf einmal erschien ihr das blaue Kleid mit der kleinen Borte, in das man sie gesteckt hatte, weil ihre Küchenkluft schmutzig und unansehnlich gewesen war, sehr viel weniger anziehend. Sie war und blieb eben eine Magd, auch wenn sie heute ganz überraschend in der Herrschaftsküche gelandet war.
Wer dabei seine Finger im Spiel gehabt haben musste, konnte Lena sich denken, und sie verrenkte sich den Hals, ob sie nicht zufällig unter den Tanzenden den blonden Juristen entdeckte. Doch Johannes Merwais war nirgendwo zu sehen, es sei denn, er steckte hinter einer diesen seltsamen Mummen, mit denen manche im Saal ihre Gesichter verborgen hatten. Dafür winkte ihr Niklas zu, der seitlich stand, seine Laute in der Hand. Er war unmaskiert und schien kein bisschen überrascht, sie hier vorzufinden.
»Was willst du denn hier?«
Sie musste nicht nach unten schauen, um zu wissen, wer es war, der an ihrem Rock zupfte. Der unangenehme Geruch nach schwerem Öl und altem Schweiß, den sie niemals vergessen würde, verriet den Hofzwerg.
»Ich hab die Weincreme geschlagen, falls Ihr nichts dagegen habt«, sagte Lena. »Weil die des Küchenmeisters nämlich beim ersten Versuch hässlich geronnen war. Die Arme tun mir weh, so hab ich zugelangt. Aber wenn sie jetzt nicht bald genossen wird, fällt sie zusammen und schmeckt auch nicht mehr.«
»Meine närrische Kleine – ich hätte dich beinahe vergessen!« Auf der Stirn des Herzogs standen feine Schweißperlen. »Und jetzt überrascht du uns ausgerechnet an diesem Abend mit solch einer Köstlichkeit!« Er hatte seinen Löffel in die Schüssel getunkt und verdrehte in übertriebenem Entzücken die Augen. »Von dir? Hast du die Creme gemacht?«
Lena nickte.
»Das Rezept stammt von Bibiana«, sagte sie.
Er redete ganz unbefangen mit ihr.
»Das müsst Ihr probieren, meine Freunde!«, rief er. »Ein Genuss! Worauf wartet Ihr noch?«
»Ich dagegen hab sehr viel an Euch denken müssen, Euer Hoheit«, sagte Lena und trat bescheiden zur Seite, zumal sich jetzt ganze Scharen von Gästen zu den Weincremeschüsseln drängten.
»Wie hübsch du aussiehst! Das zarte Blau macht deine Augen noch strahlender …«
Lena schrie erschrocken auf, weil ein Schwall warmer Creme sich über sie ergossen hatte.
»Du hast mich angerempelt!«, sagte die Dame spitz, die den Schaden verursacht hatte. An ihrem dürren Hals traten die Sehnen wie Stricke hervor, aber sie steckte in dem prachtvollsten Kleid aus rotem Samt, das Lena jemals gesehen hatte. »Gib mir auf der Stelle eine neue Portion!«
»Bedient Euch selbst, werte Spiessin!«, versetzte ihr der Herzog. »Und lasst mich in aller Ruhe ein paar Worte mit meiner närrischen Kleinen wechseln.«
Als Lena später wieder hinunter in die Küche ging, kam ihr alles vor wie ein Traum. Im Ohr noch die fröhliche Musik, die wieder einsetzte, nachdem die Festgesellschaft sich ausgiebig gelabt hatte, wusste sie plötzlich nicht mehr genau, was der Herzog alles gesagt hatte. Aber es war jedenfalls wieder da gewesen, jenes unerklärliche Gefühl von Vertrautheit, das sie schon bei der ersten Begegnung gespürt hatte, und vielleicht war es Sigmund sogar ähnlich ergangen, denn er hatte keinerlei Anstalten gemacht, sie rasch wieder zu verabschieden. Lieber wäre es ihr freilich gewesen, er hätte sich mit den Komplimenten zurückgehalten, die sie doch nur verlegen machten, aber vielleicht war dies seine Art, mit Frauen umzugehen.
Wie alle im Saal geglotzt und getuschelt hatten! Der Herzog und die Küchenmagd – als ob sie es kaum hätten fassen können.
Lenas musste lächeln. Sie hatte jeden einzelnen Augenblick genossen. Und eines stand fest: Aus der Herrschaftsküche würde sie nun keiner so schnell mehr vertreiben können.
Sie begann leise vor sich hinzusummen, als sie die Schüsseln zusammenstellte, die nun andere als sie spülen mussten.
»Ich will bald mehr von dir zu kosten bekommen«, hatte der Herzog zum Abschied gesagt. »Und auch mein junges Weib soll von dir verwöhnt werden, sobald sie die Hofburg bezogen hat. Bei meiner Hochzeit zähle ich auf dich!«
Im Nacken spürte Lena die neidischen Blicke der anderen, die mit ihr in der Küche arbeiteten, und fühlte sich trotzdem so leicht wie schon lange nicht mehr. Sogar Meister Rainer, der seit dem überschwänglichen Lob des Herzogs tat, als existiere sie nicht mehr, würde sich schon noch an sie gewöhnen.
»Das war wunderbar, Mädchen!«
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