Die Hexe und der Herzog
Mal zurückgekehrt, um ein paar Kleinigkeiten aus seinem Zimmer zu holen. Dabei war es dann zu jenem bedauerlichen Zwischenfall gekommen: Sebi, scheinbar noch gesund und munter, war bei seiner wilden Verfolgungsjagd mit dem Kater geradewegs in ihn hineingerannt. Der Kleine hatte wie am Spieß geschrien, als der Pater ihn wie in einer Zwinge festgehalten, gerüttelt und ausgeschimpft hatte. Danach war er stundenlang nicht mehr zu beruhigen gewesen, hatte gewimmert und geschluchzt, bis er schließlich vor Erschöpfung in den Schlaf gesunken war.
Seitdem hatte Els den Dominikaner nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ihretwegen hätte er sich gar nicht mehr zu zeigen brauchen. Ihre anfängliche Sympathie für den zuverlässig zahlenden Gast war mittlerweile in Abneigung umgeschlagen. Lena hatte schon recht – etwas Kaltes, Verächtliches ging von dem Pater aus, und es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass man sich unter seinem zwingenden Blick wie ein armer Sünder fühlte.
Woran er wohl so besessen arbeitete? Was immer es auch sein mochte, Pater Institoris hatte dafür gesorgt, dass kein anderer es zu sehen bekam. Auf dem Tisch lagen nur ein paar leere Blätter, daneben Tintenfass und Feder. Die Reisekisten, die er mitgebracht hatte, waren fest verschlossen, wovon sie sich neugierig überzeugte.
Als Els sich bückte, um auch unter dem Bett zu wischen, nahm der Lappen ein paar Kräuterreste auf. Sie wollte ihn schon achtlos auswringen, als sie noch einmal gründlicher hinsah. Zerbröckelte Blätter, von denen meist die Ränder fehlten, viel mehr war es nicht, was sie da entdeckt hatte. Man hätte beinahe an Liebstöckel denken können, der unter Abergläubischen besonders gern als Liebesmittel eingesetzt wurde, um den heimlich Verehrten für sich zu gewinnen. Aber was hatte damit ausgerechnet ein frommer Dominikanermönch zu schaffen?
Diese Frage ging Els nicht mehr aus dem Kopf, auch als sie wieder bei Sebi war, nach dem sie sicher bereits zum zehnten Mal schaute, weil die Angst, ihn zu verlieren, noch immer tief in ihr saß. Er lag auf dem Rücken wie ein Säugling, die Hände zu lockeren Fäusten geschlossen. Im Schlaf hatte sein schmales Gesicht die Anspannung verloren. Jetzt traten die feinen Züge umso deutlicher hervor. Wie sehr er doch seinem Vater glich!
Die Erinnerungen an das, was sie für immer verloren hatte, überschwemmte Els für einen Augenblick mit abgrundtiefer Traurigkeit. Als der Kleine sich regte und die hellen Augen aufschlug, gelang es ihr gerade noch, ein Lächeln aufzusetzen.
»Du bist bald gesund«, sagte sie und streichelte, anstatt ihren Sohn zu kosen, der sich doch nur wieder dagegen gewehrt hätte, Pippos seidiges Fell, denn der Kater hatte sich wie eine tiefschwarze Brezel am Fußende des Bettes eingekringelt. »Dann kannst du wieder herumspringen, so viel du nur willst.«
Sebis Blick wurde ängstlich. Er begann zu hecheln. Zum Glück verstand sie sofort, was ihm fehlte.
»Dein Kästchen – natürlich!« Els bückte sich und zog es unter dem Bett hervor.
Sebi presste seinen Schatz fest an sich. Seit Monaten war dieses unscheinbare Holzkistchen nun schon sein liebster Begleiter, den er kaum aus der Hand legte. Was er wohl darin verwahrt hatte? Für ihn sicher Kostbarkeiten von unschätzbarem Wert, auch wenn andere Kinder ihn deshalb auslachten. Manchmal war es ein messerscharfer Schmerz für Els, mitanzusehen, wie sehr seine Besonderheit ihren Sohn von anderen Menschen trennte. Dann wieder tröstete sie sich mit dem Gedanken, dass er ja nicht unglücklich schien, sondern ganz zufrieden in seiner abgeschlossenen Welt.
»Bist du hungrig? Oder hast du Durst? Soll ich dir etwas bringen?«
Sebi mied ihren Blick, starrte zur Wand und begann mit seinem monotonen Schaukeln, das, wie Els inzwischen wusste, über Stunden anhalten konnte. Jetzt hätte sie sagen können, was immer sie wollte – sie hätte ihn doch nicht mehr erreicht.
Sie stand auf, strich ihr Kleid glatt und ging langsam hinunter, weil bald die ersten Gäste eintreffen würden. Sie dachte an Lena, was sie freilich nicht glücklicher machte. Das Mädchen entglitt ihr mehr und mehr, das konnte sie fast körperlich spüren. Lena ging in ihrer neuen Aufgabe völlig auf und hatte ihr voller Stolz und Aufregung versichert, welch liebevolle Fürsprecherin sie in der kleinen Herzogin gefunden hatte.
Doch wie sollte solch ein blutjunges Ding sich auf Dauer gegen einen sittenlosen Gatten durchsetzen? Stand nicht weitaus eher zu
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