Die Hexe und der Herzog
niemanden, der sich schneller unsichtbar machen konnte als Vily. Nur ein einziges Mal hatte er sich dazu verdonnern lassen, das Krankenzimmer zu betreten, in dem der Pater seit Tagen leidend und schwer fiebernd lag. Danach musste Chunrat notgedrungen stets andere Küchenjungen beauftragen, dem Dominikaner die von van Halen verordnete Krankendiät zu bringen.
Lena freilich wollte mehr erfahren. Es machte sie unruhig, den Mann mit dem eisigen Blick so dicht in ihrer Nähe zu wissen. Gleichzeitig jedoch war sie erleichtert, dass er nun nicht mehr mit Els, Sebi und Bibiana unter dem Dach des »Goldenen Engel« wohnte.
»Weißt du denn nicht, was man sich über ihn erzählt?« Vily blies die Backen auf wie immer, wenn er sich wichtig machte. »Den Leibhaftigen soll er in einer lodernden Feuerwolke aus dem Kamin getrieben haben. Seitdem spukt es nicht mehr bei uns.«
»Dann sind die bösen Geister doch besiegt! Wofür fürchtest du dich noch?«
»Weil ich zufällig ganz genau weiß, dass der Teufel heimlich zurückgekommen ist, um in ihn zu fahren. Pech und Schwefel hab ich gerochen, als ich in seinem Zimmer war – das schwöre ich bei der allerheiligsten Jungfrau Maria!«
Vilys Worte verfolgten Lena bis in ihre Träume, in denen sie blindlings durch einen dornenbewehrten Wald hetzte auf der Suche nach einer Zuflucht, die sich immer weiter zu entfernen drohte, je schneller sie rannte. Schweißgebadet erwachte sie, mit wild klopfendem Herzen, und brauchte eine ganze Weile, um sich in der engen Dachkammer zurechtzufinden, die sie jetzt bewohnte.
Sie blieb wachsam, als sie die nächsten Male die Hofburg verließ, um Einkäufe zu machen, und obwohl ihr Verdacht nicht konkreter wurde, hielt sich hartnäckig ein Gefühl von Bedrohung. Es wäre eine Erleichterung gewesen, sich jemandem anzuvertrauen – doch an wen sollte sie sich wenden?
Els und Bibiana hatten ihre eigenen Sorgen, die kleine Herzogin schwelgte im Eheglück, das Lena weder stören konnte noch wollte, und Niklas, den sie vielleicht noch am ehesten hätte einweihen können, machte sich wieder einmal rar.
Lena strengte sich an, die lauernden Schatten einfach zu vergessen. Doch so große Mühe sie sich damit auch gab, es wollte und wollte ihr einfach nicht gelingen.
»Du willst – was?« Barbara starrte die junge Frau mit dem lockigen Flammenhaar an, dann brach sie in Gelächter aus. »Das hat vor dir noch keine von mir verlangt!«
»Willst du die Kleine nicht lieber rausschicken?« Die Braut des Baders warf Maris, die in einer Ecke mit ihren Flickenpuppen spielte, einen verschämten Blick zu. »Dann könnten wir freier reden.«
»Sie wird einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter treten.« Barbaras grünliche Augen glitzerten vergnügt. »Da kann es nicht schaden, wenn sie von klein auf mitbekommt, was zu unserer alten Kunst gehört. Aber wenn du unbedingt willst – von mir aus!« Sie erhob nur leicht die Stimme. »Maris, geh doch mal raus zum Spielen!«
»Du musst mir helfen, bitte!«, wiederholte Gundis, kaum war die Kleine verschwunden. Auf ihren runden Wangen brannten rote Flecken. »Mach, dass es länger dauert!«
»Besser könnte es doch eigentlich gar nicht für dich aussehen«, sagte die Hebamme. »Beim letzten Mal hast du noch um Sadesud und Haselwurz gebettelt, weil du deine Leibesfrucht dringend loswerden wolltest.« Sie trat einen Schritt zurück, musterte Gundis neues Kleid aus blauem Tuch, das so bahnenreich fiel, dass von der Schwangerschaft kaum etwas zu sehen war, sowie das silberne Kreuz, das den stattlichen Busen schmückte. An Gundis Zeigefinger funkelte ein blutroter Karfunkelring, der die ehrenhafte Verlobung anzeigte. »Jetzt kriegst du den Mann deiner toten Stiefschwester und einen Vater für dein Kind auf einen Schlag.«
»Aber es darf doch nicht so früh geboren werden! Und dafür musst du sorgen!«
Barbara schenkte sich einen Becher Met ein und trank. Die Besucherin, der sie ebenfalls eingegossen hatte, nippte lediglich.
»Das Kind bestimmt, wann es kommt.« Barbaras Stimme war ruhig. »Das weiß sogar schon meine Kleine. Nicht einmal Zunähen würde da etwas helfen. Wann hast du zum letzten Mal geblutet?«
Die andere starrte sie voller Verzweiflung an.
»An Allerheiligen. Das weißt du doch! Und selbst da war es bereits kümmerlich. Aber er muss doch denken, es sei seins!«, stieß sie hervor. »Sonst nimmt er mich vielleicht im letzten Augenblick nicht – seine Mutter kann mich ohnehin nicht leiden.«
Bevor
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