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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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in die Augen, was der fette Medicus allerdings ganz falsch verstand.
    »Ihr müsst Euch nicht schämen«, sagte van Halen in seinem seltsamen Singsang, während fremde Hände Kramer das verschwitzte Hemd abstreiften. »Gott hat Euch schließlich so erschaffen, und außerdem sehen Euch die Diener ja gar nicht dabei an. War nicht ganz einfach, überhaupt jemanden zu finden, der dazu bereit war. Die beiden aber hatten diese Krankheit schon, als sie noch klein waren. Daher sind sie jetzt gegen sie geschützt.«
    Was redete dieser Mann? Kramer verstand kein Wort. Doch die Kühle des weichen Tuchs, mit dem er nun gewaschen wurde, war erfrischend, und das weißliche Zeug, das van Halen ihm anschließend behutsam auf die Beulen tupfte, stillte zumindest im Moment den entsetzlichen Juckreiz.
    »Muss ich sterben?«, murmelte er, als er in seinem sauberen Bett lag. »Dann verlange ich auf der Stelle die Segnungen der letzten Ölung.«
    »Damit lasst Euch ruhig noch ein wenig Zeit!«, erhielt er als Antwort. »Das Schlimmste liegt vermutlich hinter Euch. Aber etwas mehr Fleisch auf den Rippen könntet Ihr ruhig vertragen. Was Euch plagt, sind die Wasserpocken, im Volksmund auch Wilde Blattern genannt. Kinder überstehen sie meist schnell, in Eurem Alter jedoch verläuft die Krankheit härter. Und haltet wenn irgend möglich die Hände im Zaum! Wenn Ihr nicht allzu viel kratzt, müsst Ihr nicht einmal hässliche Narben zurückbehalten.«
    »So war es also ein verderbtes Kind, das mich so krank und elend gemacht hat?«
    »Niemand weiß, wie es geschieht«, sagte van Halen. »Doch wenn ein Geschwisterchen die Krankheit hat, bekommen die anderen sie in der Regel auch.«
    Er bestand darauf, dass Kramer sich halb aufrichtete, damit einer der Diener ihm ein paar Löffel einer mit Eigelb verquirlten Kräutersuppe einflößen konnte, die der Pater zu seinem Erstaunen bei sich behalten konnte. Danach zwang er ihn eigenhändig, einen Becher bis zur Neige zu leeren, dessen Inhalt allerdings so bitter war, dass der Kranke ihn kaum hinunterbekam.
    »Wollt Ihr mich vergiften?« Erschöpft sank der Dominikaner in die Kissen zurück. Sein Schlund brannte, als hätte er flüssiges Feuer schlucken müssen. »Ich erleide Höllenqualen!«
    »Das sind heilende Kräuter, aufgelöst in Hochprozentigem.« Der Singsang schien sich immer weiter zu entfernen. »Da werdet Ihr gut schlafen.« Die Stimme verhallte.
    Und schon bald tauchte in Kramers unruhigen Träumen ein schmales Kindergesicht mit verfilztem Blondhaar auf, das ihn nicht mehr losließ.

     
    Natürlich hatte Johannes Merwais den gestrigen Leidenstag Christi wie alle anderen am Hof mit der Andacht begonnen, die Hofkaplan Taurstein abgehalten hatte. Der Jurist war erleichtert, dass dieser dünne, leicht gebeugte Mann am Altar stand und vom Leiden und Sterben Jesu predigte und nicht jener fremde Dominikaner, dessen Anblick ihn vom ersten Augenblick an frösteln gemacht hatte. Über den Großen Exorzismus, den der Pater Institoris in diesen Mauern abgehalten hatte, wurde in der Hofburg nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt, als fürchtete jeder, sonst die Aufmerksamkeit des Teufels auf sich zu lenken.
    Was aber Merwais am meisten gegen den Pater Institoris aufgebracht hatte, war dessen lautstarke Ansprache, die er im Burghof an alle gerichtet hatte, die lilafarbene Stola der Teufelsaustreibung noch um den Hals und ein riesiges Holzkruzifix in der Hand, das er beim Reden wie ein Schwert schwang.
    »Ein Ort oder ein Schloss allein kann nicht verflucht sein.« Eine Stimme wie Donnergrollen. »Gibt es Anzeichen dafür, so liegt dieser bedauernswerte Zustand ausschließlich an seinen Bewohnern. Nur die absolute Reue kann euch davor bewahren, einzig und allein eine schonungslose Beichte jeden von euch vor den Krallen Satans erretten. Wer möchte den Anfang machen? Ich erwarte die reuigen Sünder morgen in der Hofkapelle …«
    Zum Glück war der Pater Institoris schwer erkrankt, bevor es dazu gekommen war. Johannes Merwais schüttelte sich allein bei dem Gedanken an diese Aufforderung. Das Gewissen in Beichtstuhl zu erleichtern, war für ihn ein persönlicher Akt, ein intimes Bekenntnis vor Gott, bei dem der Priester Mittler war – nicht Richter.
    Heute allerdings, am Karsamstag, war Merwais heilfroh, zu seinen Papieren und Zahlenkolumnen zurückkehren zu können, die anstelle von Pech- und Schwefelodem erholsame Nüchternheit verströmten. Was er jedoch hier auf seinem Tisch vorfand, gefiel ihm

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