Die Hexe und der Herzog
goldenen Löffel im Mund zur Welt, der andere wuchs in einem spitzgiebeligen schwäbischen Handwerkerhaus auf und konnte einzig die Möglichkeiten nützen, die ihm der unentgeltliche Besuch der ortsansässigen Lateinschule bot.
»Ich kann mich doch auf Euch verlassen?« Der Herzog hatte sich auf die Tischplatte gestützt und starrte den Juristen aus seinen großen, hellen Augen an.
»In allem, Euer Hoheit«, sagte Merwais mit enger Kehle.
Nachdem der Herzog endlich gegangen war, hielt er es kaum aus in seinem stickigen Kontor, und lief nach unten, um endlich ins Freie zu kommen. Die letzten Nächte waren noch einmal sehr kalt gewesen, aber man spürte, dass der Frühling nun nicht mehr aufzuhalten war. Vogelzwitschern empfing ihn im Burghof, überall grünte und spross es, und die Knospen der Bäume waren zum Aufplatzen bereit.
Bevor er sich darüber noch Rechenschaft abgelegt hatte, stand Merwais vor der Tür der neuen Küche, aus der Lenas fröhliches Lachen drang. Beinahe wäre er wieder umgekehrt. War er schon wieder zu spät gekommen – und dieser verdammte Herzogsbastard stand ihm abermals im Weg?
Johannes riss die Tür auf, eine grimmige Bemerkung auf der Zunge. Doch von dem dreisten Spielmann war glücklicherweise nichts zu sehen. Lena lachte mit einem der Küchenjungen, der offenbar ein hungriges Katerchen dabei ertappt hatte, wie es Fischabfälle stehlen wollte. Bei Merwais’ Anblick errötete sie, was diesem außerordentlich gefiel.
»So ein frecher Räuber!«, rief sie. »Aber kann man ihm böse sein? Doch der Schönste ist natürlich unser Pippo im ›Goldenen Engel‹, so klug und so pechschwarz wie der Teufel …« Lena hielt inne, schlug sich die Hand vor den Mund. »Verzeiht – was rede ich da für Unsinn! So hab ich es natürlich nicht gemeint.« Sie verstummte. Es wurde ja mit jedem Wort, das sie sagte, nur noch schlimmer!
»Ich mag Katzen«, sagte Merwais. »Ganz egal, ob weiß, schwarz oder rot.« Er schnupperte. Alle Magensäfte schienen ihm auf einmal einzuschießen. Über seinen endlosen Rechnungen und Kalkulationen hatte er offenbar das Essen ganz vergessen – und das Leben dazu. »Wonach duftet es hier denn so köstlich? Stammt das Gericht wieder von der jungen Köchin höchstpersönlich?«
»Eine Überraschung für die kleine Herzogin«, mischte der Küchenjunge sich ungefragt ein. »Für Ihre Hoheit, meine ich natürlich. Der Ausklang eines österlichen Festessens, das Lena sich eigens ausgedacht hat. Was Ihr hier riecht, stammt nur vom Probedurchlauf, damit morgen nichts schiefgeht.«
Während er noch plauderte, hatte Lena bereits ein Tuch gehoben und die Torte darunter angeschnitten. Das Stück, das sie Johannes servierte, war riesig.
Er biss hinein, schloss genießerisch die Augen. »Ein echtes Stück vom Himmel«, sagte er. »Ich wette, dieses Rezept hütest du wie deinen Augapfel!«
Lena wirkte erneut verlegen. » Torta della nonna ist das, und natürlich stammt das Rezept wieder einmal von Bibiana. Ein einfacher Teig aus Mehl, Zucker, kalter Butter und einer Prise Salz. Das würde jedes Kind zustande bringen. Wichtig ist die Füllung, für die man Eigelb, Zucker, geschlagene Sahne und Vanillemark braucht.«
»Und was ist das Grüne darauf?« Merwais konnte Lena nicht mehr aus den Augen lassen. »Könnte ich vielleicht noch ein Stück davon bekommen?«
»Gehackte Pistazienkerne. Ihr wollt mehr – warum nicht? Dies war ohnehin nur ein Versuch. Bibiana behauptet immer, nach einer halben Torte könne man Bäume ausreißen.« Sie lugte zu Vily, der plötzlich wie angewachsen dastand. »Wieso kümmerst du dich eigentlich nicht längst um die Taubensuppe?«, rief sie. »Umrühren, los, los – ich will nicht wieder riechen müssen, dass alles angebrannt ist!«
Widerwillig machte der Junge sich an die Arbeit.
»Kann ich Euch für einen Moment allein sprechen?« Lena nahm all ihren Mut zusammen, während Merwais weiter genüsslich kaute. Hoffentlich hatte sie Glück, und Chunrat kam nicht gleich angelaufen. »Jemand lauert mir auf. Und inzwischen weiß ich auch, wer.«
»So rede!« Merwais war plötzlich ganz ernst.
»Kassian. Zuerst dachte ich, ich hätte mich getäuscht, denn er verkleidet sich offenbar als Bettler. Inzwischen aber bin ich mir ganz sicher. Er will mir Angst machen. Kaum setze ich einen Fuß aus der Hofburg, ist er auch schon da.«
»Hat er dich angesprochen? Oder gar angegriffen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Er steht nur stumm da. Aber er hat etwas
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