Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
erstaunlicherweise zu.
Marx warf Julius einen triumphierenden, wenn auch trüben Blick zu. Ich hab’s dir doch gesagt.
»Denn«, sagte Conrad leise, »sie ist voller Liebreiz. Mit … einer ganz eigenen Schüchternheit und Sittsamkeit dabei und … rein im Herzen …«
»Aber Heinrich war es, der das reine Herz eroberte.« Marx bemühte sich, die Worte nicht höhnisch, sondern teilnahmsvoll klingen zu lassen, was komplett misslang.
Conrad rief glutrot an. Dann sagte er: »Ja.«
»Und das war bitter.«
»Ja.«
»Und da hast du dir gedacht …«
»Ich hab mir gar nichts gedacht.«
»Was hast du dir eingeredet? Dass Heinrich die sittsame Valerie nicht so liebt, wie es ihr gebührt? Dass er sie benutzt und dann fallenlässt? Dass er ein Schuft ist, vor dem man das Mädchen beschützen muss? Da hast du den Plan gefasst, ihn aus dem Weg zu räumen!«
»Nein …« Conrad trat zu Julius. »Nein! Ich hätte doch Heinrich kein Leid zugefügt! Er war mir wie ein Bruder! Dass er Valerie verführte, darüber hab ich ihm natürlich Vorhaltungen gemacht. Wir haben sogar furchtbar gestritten. Aber ihn ermorden …«
»Zwei Jungen lieben dasselbe Mädchen. Was beweist das schon?«, sagte Julius zu Marx.
»Vielleicht wirklich nichts – wenn Edith Conrad nicht als Komplizen genannt hätte.«
»Hat sie das?«, fragte Julius misstrauisch.
»Ich sag’s doch!« Marx zog das Bein an und presste die Hand auf die Wunde.
»Vermutlich, um sich selber reinzuwaschen.«
»Vor einem Kerl, der gerade auf den Tag seiner Hinrichtung wartet?«, lachte Marx ironisch.
»Wer soll Heinrich denn nun ermordet haben – Conrad oder Marsilius?« Julius sprach die Worte mit einer Ruhe, die ihnen doppelte Schärfe gab.
»Conrad gab den Auftrag, und Marsilius führte ihn aus.«
Der junge Mann schüttelte hitzig den Kopf und wollte widersprechen, aber Julius hielt ihn am Arm fest. »Warum hätte Marsilius für einen Jungen aus seiner Verwandtschaft einen Mord begehen sollen? So was ist doch kein Gefälligkeitsdienst.«
»Was weiß ich. Für Geld? Für politische Unterstützung? Vielleicht …« Marx presste vor Schmerz die Stirn auf das Knie. »Vielleicht war der Brief, den Conrad an Marsilius sandte, nicht eindeutig gewesen. Ich bitte Dich, schaff mir Heinrich vom Hals, und dann wäscht eine Hand die andere. Vielleicht wollte Conrad gar keinen Mord. Vielleicht war alles nur ein fürchterlicher Irrtum.«
»Aber nein …« stotterte der junge Mann. »Das ist völlig falsch, weil … Es war doch klar, dass keiner von uns beiden das Mädchen bekommen würde. Valerie ist doch Nonne! «
Das Wort fiel zwischen sie wie eine Kanonenkugel. Die Männer schwiegen, beide verblüfft und sprachlos.
»Und sie hätte niemals das Gelübde gebrochen, das sie vor Gott gab. Das hat sie selbst zu uns gesagt. Es war ihr heilig.« Conrad steckte die Hände in die Taschen des Mantels, den er sich übergeworfen hatte, zufrieden, endlich Klarheit geschafft zu haben, und trotzdem am ganzen Körper zitternd.
»Die Hexe hat aber deinen Namen genannt, verdammt noch mal!«, fuhr Marx ihn an.
Julius fragte nach dem Brief, dem verdammten Stück Papier, das zu Herzog Wilhelm nach Jülich gesandt werden sollte, nach Elisabeths Aussage. Er wollte auf Wallenstein zurückkommen, auf die Intrige, in die Heinrich hineingezogen worden war und deretwegen Julius Marx die Hauptschuld am Tod des Junkers gab, nur ging das jetzt nicht mehr. Wenn Marx tatsächlich Schuld an Heinrichs Tod trug, wenn er irgendetwas davon wusste, dann wäre er wohl kaum in dieses Haus gekommen.
Es war eine verworrene Situation.
Und während Sophie die Männer betrachtete, ging ihr auf, dass beide aus den Augen verloren hatten, was ihr einzig wichtig war, nämlich Henriette. Was hatte der Tod eines jungen Mannes, den sie nicht einmal kannte, neben ihrem Leid für eine Bedeutung? Henriette lebte. Das kleine Mädchen litt – jetzt gerade, in diesem Augenblick. Für Henriette ging es um alles. Und Sophie war ihre Mutter. Ihr Blick fiel auf Marx, der immer noch seinen weichen Lederstiefel umklammerte, um den Schmerz zu ertragen. Ihr Herz wurde weich. Wenn er nun starb! Aber trotz allem: Marx war ein erwachsener Mensch. Er konnte für sich selbst sorgen. Henriette dagegen …
Sie wandte sich entschlossen von dem Mann am Boden ab. »Julius, ich brauche Eure Hilfe.«
hr habt richtig entschieden«, ermunterte Julius sie, während sie gen Süden nach Speyer ritten, in die Stadt, in der das
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