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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Fratze.
    »Natürlich, Irmgard. Ich würde sie sogar sehr gern hierlassen, wenn Ihr es erlaubt. Nur ich selbst muss fort. Heute Abend noch. Sag Tomas meinen Dank, Julius.«
    »Marx ist zurückgekehrt.«
    »Ja«, gab sie zu.
    »Tomas hat dafür gesorgt, dass er nicht mehr ins Haus kommen kann – aber natürlich findet er trotzdem einen Weg. So ist er, nicht wahr?« Julius hatte sich umgedreht, er stützte sich mit den Händen hinter sich auf der Fensterbank ab. »Du hast den Verstand verloren, Sophie.«
    »Er wird mir helfen, Henriette zurückzubekommen«
    »Schieb es nicht auf dein Kind, wenn du zu ihm willst.«
    »Ich schieb’s auf gar nichts.«
    Eine Magd trat ein. Sie stutzte, ihr flinker Blick ging über die Gesichter, dann holte sie die schmutzigen Gläser und verließ rasch wieder den Raum.
    »Du willst noch heute Abend fort?«
    »Ja, denn …«
    »Ich werde das nicht zulassen.«
    »Was sagst du?«
    »Ich verbiete es dir. Du bist verblendet, und ich trage eine Verantwortung für dich.«
    »Aber …«
    »Ich könnte es vor deinen Eltern nicht rechtfertigen, dich zu ihm gehen zu lassen. Sie vertrauen mir.«
    Sophie protestierte nicht, als er sie mit ausdrucksloser Miene in das vergitterte Zimmer brachte, und auch nicht, als er meinte, dass sie ihm dankbar sein würde, sobald sie wieder zu Verstand gekommen sei. Sie setzte sich auf Irmgards Bett und hörte zu, wie er die Tür von außen verschloss. Als seine Schritte verklungen waren, hob sie die Strohmatratze an und holte einen Schlüssel hervor, den Irmgard irgendwie ergattert und dort versteckt hatte, weil sie immer die Angst beherrscht hatte, sie könne noch einmal dort unten eingesperrt werden.
    Es dauerte noch eine Weile, bis es im Haus still geworden war. Dann schloss Sophie die Tür auf und huschte die Treppe hinauf.
    Schon auf dem Weg zum Roten Haus merkte sie, dass etwas geschehen sein musste. Von den Wehrmauern und Türmen ertönten Fanfarenklänge, und es waren so viele Menschen in den Gassen unterwegs, dass sie von ihnen umhergestoßen wurde. Sie musste sich ihren Weg zwischen Sänften, Reitern und rücksichtslosen, zum Teil betrunkenen Fußgängern bahnen. Alle Welt schien auf den Füßen zu sein. Sogar die Söldner aus den Flussauen hatten nicht wie üblich mit dem Torschluss die Stadt verlassen, sondern trieben sich in den Straßen herum. Gelegentlich schoss einer von ihnen in die Luft, was von den anderen Menschen belacht und beklatscht wurde. Es dauerte eine Weile, bis Sophie aus dem, was sie im Vorwärtsdrängen erlauschte, schlau wurde: Der Löwe aus Mitternacht, König Gustav Adolf von Schweden, war tot. Wallenstein hatte ihn besiegt und erschlagen.
    Sie erreichte das Wirthaus, betrat den nach Küchendünsten, Wein und Abort stinkende Schankraum, wurde von dem kleinen Jost entdeckt und von ihm in ein Hinterzimmer gebracht, in dem sie zwischen vielen anderen Gestalten Marx und den Zaunkönig entdeckte. Letzterer hatte sich jetzt, wo es kalt geworden war, in so viele Wämser und Hosen gehüllt, dass er wie ein wandelndes Fass wirkte. »Das Gute hat das Böse unter seinen Füßen zertreten, meine Dame, genau wie es in der Bibel steht!«, begrüßte er Sophie euphorisch und ziemlich betrunken. »Der Schwede hat ausgeschissen. Mars wird zum Teufel gejagt und Venus endlich wieder in die Paläste gebeten! Halleluja, Gott sei gepriesen!« Ein Schankmädchen drängte sich auf seinen Schoß und wurde freigebig begrapscht und geküsst.
    Marx zog Sophie auf eine Bank, die an einem langen Tisch voller Zecher stand. »Die Nachricht ist vor zwei Stunden in die Stadt gekommen«, flüsterte er. »Es hat bei Lützen – das ist im Osten, in der Nähe von Leipzig – eine Schlacht gegeben. Die Kaiserlichen waren siegreich und Gustav Adolf …« Er wurde unterbrochen. Ein blasser Mann mit einem nackten, von einem Schwertstreich vernarbten Schädel beugte sich über den Tisch und brüllte ihm zu: »Der Teufel hat den Ketzern beistehen wollen. Er hat das Schlachtfeld in Nebel getaucht und den Boden zu einem Schlammpfuhl gemacht, so dass die Pferde einsanken und man Freund von Feind nicht unterscheiden konnte. Wallenstein hatte Zehntausend Mann bei sich – und war den Schweden damit an Zahl unterlegen, aber …«
    »Ist doch nicht die Zahl, die’s ausmacht«, unterbrach ihn sein Nebenmann. »Schweden können nich kämpfen.«
    »Wallenstein hat auf den Pappenheim gewartet, aber der is auch tot«, grölte einer seiner Kumpane, ein hübscher, noch sehr

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