Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
Vom Netzwerk:
hatte ein brennendes Stück Holz in einen Hornissenschwarm geworfen. Und die Wirkung blieb nicht aus. Der Kerl, der mit ihm gesprochen hatte, legte die Muskete auf die Gabel und feuerte ein weiteres Mal auf den Stall. Dieses Mal zielte er extra tief. Das Fiepen der Schweine füllte die Luft. Doch natürlich reichte der Schmerz der armen Kreaturen nicht aus, um ihren Ärger zu besänftigen. Die Gesichter der Männer hellten sich auf, als der Reiter mit dem Schimmel im Tor erschien. Julius spitzte mit einem bösen Lächeln die Lippen.
    Marx hatte unter Söldnern gelebt. Ihm sagte der erste Blick, was los war. Er zögerte, aber nur kurz. Dann ritt er, gleichgültig für alles, was ihm drohte, unter dem Torbogen hindurch. Sein weißer Teufel stieg, als die Männer ihm pöbelnd zu Leibe rückten. Marx schaute zum Fenster hinauf und erblickte Julius. Was erwartete er? Etwa Hilfe vom Hausherrn? Julius bebte vor Zorn. Dieser Kerl hatte Sophie dazu verführt, in ihr Unglück zu rennen. Er verdiente jedes Schicksal!
    Und es nahm seinen Lauf. Der Schimmel stieß einen entsetzlichen, beinahe menschlichen Laut aus, als eines der Schlachtmesser ihm seitlich in die Brust fuhr. Und Marx wusste doch noch, wie man kämpfte. Seine Muskeln reagierten. Aber am Ende war er doch nur einer gegen einen ganzen Trupp. Julius wandte sich ab, als die Männer über ihn herfielen.

   ophie hockte mit angezogenen Knien im Hexenturm, in dem unteren Verließ. Sie hatte keine Ahnung, was für ein Wochentag oder welches Tageszeit es war. Um sie herum war es vollständig dunkel. Sie saß auf dem feuchten Felsboden, aber die Wassermassen, die sie bei ihrem ersten Aufenthalt entsetzt hatten, waren abgeflossen, und offenbar kam auch keines nach. Vielleicht war es zu kalt geworden und der Zufluss gefroren.
    Zu Beginn ihrer Kerkerhaft hatte sie das Schlupfloch untersucht, aus dem sie das letzte Mal, als sie hier festsaß, geflohen war. Aber man hatte das Fallgitter durch ein feststehendes ersetzt, das in den Fels eingelassen worden war. Keine Möglichkeit mehr, hinein- oder hinauszukommen. Doch das hatte sie auch nicht ernsthaft erwartet. Marsilius musste entdeckt haben, wie sie damals aus der Burg entkommen war, und natürlich hatte er Vorkehrungen getroffen, dass ihm nicht noch einmal ein Gefangener auf diesem Weg entwischte.
    Dass sie nicht erfror, verdankte sie einer Daunendecke, die Dirk ihr gebracht hatte. Es geschah nicht aus Gnade von Seiten ihres Ehemannes und war auch kein Beweis heimlicher Komplizenschaft mit Dirk. Man wollte einfach nicht, dass sie vor ihrer Zeit starb. Aus dem gleichen Grund hatte Dirk ihr eine Schüssel mit Fleisch hinuntergebracht. Es war fett und schmeckte gut. Gewürztes Schwein. Sie hatte es heruntergeschlungen und erleichtert festgestellt, dass man ihr Nachschub brachte.
    In den Zeiten, in denen sie nicht schlafen konnte, dachte sie an Marx. Er musste leben. Wenn Marsilius ihn umgebracht hätte, dann hätte er ihr auch die Leiche gezeigt. An diese Überzeugung klammerte sie sich.
    Schließlich kam ihr Ehemann zu ihr ins Verließ. Fackelschein machte die Wände sichtbar, als Marsilius die Falltür zurückschlug. Er war allein. Sie stand auf, als er die Strickleiter hinunterließ, und drückte sich gegen die Wand. Ihr brach der Angstschweiß aus. Marsilius erreichte den Boden ihres Kerkers und verstaute die Fackel in der dafür vorgesehenen Halterung. Sie sah, dass seine Hand dabei zitterte. War er betrunken? Schwerfällig drehte er sich zu ihr um.
    »Setz dich wieder!« Er wartete. Als sie sich endlich zu Boden gleiten ließ, nahm er, ohne ein Wort zu sagen, neben ihr Platz. Nicht gegenüber, sondern an ihrer Seite. Er legte seine Hand auf ihre. Es schüttelte sie vor Ekel, aber ihr fehlte der Mut, sich zu befreien. Ihr Herz klopfte wie ein Hammer. Was wollte er von ihr?
    Marsilius starrte schweigend zu Boden, während die Zeit verstrich. Schließlich sagte er: »Du hättest nicht gehen dürfen.«
    Sie wagte kein Wort der Erwiderung. Der blutige Gesichtsabdruck auf seinem Hemd stand ihr vor Augen. Sie spürte deutlich die Gefahr, in der sie schwebte. Schließlich ließ Marsilius sie los und faltete die Hände auf den Knien. »Es wäre alles gut gegangen, wenn du dich dreingefügt hättest«, sagte er langsam. »Edith für die Nächte und du für die Tage. Was wäre daran so schlimm gewesen? So macht man es doch überall. Du hättest mir Söhne geboren. Wir hätten das Land verwaltet und wären gemeinsam alt

Weitere Kostenlose Bücher