Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)
geworden.«
Es war entsetzlich, ihn so sprechen zu hören.
»Aber du warst eifersüchtig, nicht wahr? Das verstehe ich. Nur bestand dazu kein Grund. Edith ist keine Frau, die man lieben könnte. Ich will sie in meinem Bett, dagegen kann ich nicht an. Ich brenne, wenn sie mich berührt. Wenn sie nicht da ist, brenne ich auch«, gab er zu, »nur auf eine andere Art, die mich wahnsinnig macht. Sie hat mich verzaubert.« Er lachte mit belegter Stimme, in der auch ein wenig Angst klang. »Mir graut, wenn ich sie besteige, weißt du das?«
»Töte sie«, sagte Sophie. »Dann verliert sie die Macht über dich und du und dein Land, ihr seid wieder frei.«
Marsilius nickte.
»Ist Henriette oben in meiner Kammer?«
»Es war überheblich von dir, sie zu fordern. Das Weib ist dem Manne untertan. So hat Gott es bestimmt. Es war sündig von dir, mich zu verlassen. Und eine noch größere Sünde, mich vor dem Gericht zu verklagen.«
Sophie biss sich auf die Lippe.
»Aber die größte Sünde … Sag, welches deine größte Sünde ist. Sag’s Sophie!« Er wartete kurz, dann schlug er sie ins Gesicht. Allerdings nur mit der flachen Hand, als wäre er nicht richtig bei der Sache. »Du hurst mit meinem Feind.«
Sie atmete tief und langsam und wartete darauf, dass er die Beherrschung verlor. Aber nichts geschah. Er starrte an die gegenüberliegende Wand und wirkte beinahe gelassen.
Sie wagte es: »Und trotzdem könnte noch alles gut werden«, flüsterte sie. »Töte Edith und hole mich hier heraus. Wir werden die Hexe und den Leichendieb vergessen und sorgen für unser Kindchen und bekommen Söhne.« Hörte er den falschen Ton in ihrer Stimme? »Du bist der Herr der Wildenburg«, schmeichelte sie. »Du kannst dich entscheiden. Wehre dich gegen die Hexe. Vertreib das Böse aus der …«
»Weißt du, dass Christine tot ist?«
Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass er von ihrer Schwester sprach, und einen weiteren, um zu begreifen, was er ihr mit diesen Worten sagen wollte. Ihr war, als legten sich zwei Hände um ihre Kehle. Hatte Julius nicht erklärt …? Sie starrte ihren Ehemann mit aufgerissenen Augen an.
Marsilius lachte gleichgültig. »Du hättest damals mit mir kommen sollen. Dann wäre alles gut geworden. Ich hätte dich bestraft, aber ich war bereit, dir anschließend zu verzeihen. Ich hatte es mir schon vorgenommen. Alles wäre so geworden, wie es sollte. Aber du hast dich davongestohlen. Weißt du, wie wütend mich das gemacht hat? Und deine Mutter! Hat mich beschimpft.« Er griff wieder nach Sophies Hand und fuhr mit dem Daumen über ihre Haut. »Ich konnte nicht einfach gehen, versteh das bitte. Ein Mann lässt so was nicht auf sich sitzen – dass die Frau ihn bloßstellt. Christine war mit dem Kind ins Haus gegangen. Ich habe sie oben gefunden. Damit hätte es gut sein können. Dirk hat vor der Kammer Wache gestanden. Aber sie war wie du. Hat sich gewehrt, und ihr Balg hat gebrüllt und … Mistdreck, das hält ein Mann doch nicht aus. Es zerreißt einem die Nerven.«
Sophie fühlte sich wie taub. Hatte er ihr gerade sagen wollen, dass er Christine und den kleinen Jürgen ermordet hatte?
Marsilius ließ sie los. Er stand schwerfällig auf. »Dem Jungen hat es nicht geschadet. Es war nur ein kleiner Schlag.«
»Was … Hast du Christine umgebracht?«
Erstaunt blickte er sie an. »Natürlich nicht.« Dann öffnete er seine Hose. Sophie stierte auf seinen blassen Unterleib. Hatte er nicht gerade gesagt, Christine sei tot? Was sollte das? Zum ersten Mal zweifelte sie an dem Verstand des Mannes, den sie geheiratet hatte. Wollte er jetzt über sie herfallen?
Er wollte nicht. Er zeigte ihr eine Stelle unter dem Bauchnabel, wo seine Haut durch ein Geschwür aufgerissen war. Es roch ekelerregend und sah scheußlich aus, entzündet und vereitert. Marsilius schloss die Hose wieder. »Ich habe noch vier andere Stellen am Körper, und es werden täglich mehr. Durch die Frau kam die Sünde in die Welt. Eva hat im Garten Eden von der Frucht genommen, die Hexe von Endor hat Saul vernichtet … Immer sind es die Frauen. Hat Edith mir dieses Geschwür angehext? Sie leugnet es. Aber wer glaubt einer Hexe?«
Er nahm die Fackel aus dem Eisenring und griff nach der Strickleiter. Dann wandte er sich noch einmal um. »Vielleicht werde ich sterben. Aber nicht allein. Du hast mich vor dem ganzen Land lächerlich gemacht. Es braucht ein großes Fanal, um meinen Ruf und den meiner Familie wiederherzustellen. Die
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