Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
Vom Netzwerk:
Leute hören erst auf zu lachen, wenn sie begreifen, dass sie mir Unrecht getan haben. Ich werde dir den Prozess machen, Sophie. Ich werde dich als Hexe anklagen und vor den Toren der Burg verbrennen.«

   as hatte Marx das Leben gerettet? Dass er den Pöbelhaufen mit seinen idiotischen Bemerkungen zum Lachen brachte? Er hatte, bevor sie auf ihn eindroschen, einem der Kerle mit seiner Klinge das halbe Ohr abgetrennt, und das war, zusammen mit dem Wortgeplänkel über den Heiland, der Malchus das Ohr wieder anheilte, ein Heiterkeitserfolg gewesen. Man amüsierte sich gern, auch und gerade, wenn es hart herging, und so waren die Kerle schon nahezu besänftigt gewesen, als einer der Offiziere in den Hof stürmte, um zu erfahren, wer zum Teufel sich dort am Boden krümmte.
    Und nun lag Marx auf einem Spannbett im Nähzimmer, mit dem Kopf auf einem bestickten Kissen und der Hand auf dem Brustkorb, wo ihm wohl eine oder zwei Rippen gebrochen worden waren, und berichtete, wie Sophie in Marsilius’ Hände geraten war. Anschließend ließ er, geistesabwesend wie immer, Julius’ Wutausbruch über sich ergehen. Danach war es still im Zimmer.
    Wenn es kein Aberglaube wäre, dachte Julius, dann würde ich wahrhaftig annehmen, dass der Dreckskerl gefroren ist, von irgendeinem Amulett beschützt. Bis auf die angeknacksten Rippen hatte Marx keine ernsthafte Wunde davongetragen. Seine Blässe mochte darauf zurückzuführen sein, dass er zu wenig geschlafen hatte, oder sie war ein Zeichen der Trauer über den Tod seines verdammten Pferdes, an dem er hing wie andere an einem Menschen. Aber was wusste man schon über diesen Mann, der daherschwätzte, ohne am Ende etwas über sich verraten zu haben. Jedenfalls litt er. Wenigstens das.
    »Es heißt, dass Marsilius Sophie einen Hexenprozess machen will«, sagte Marx in die Stille. »Er wird Edith als Zeugin anführen, und außerdem Josepha, was schwerer wiegt, weil man weiß, dass die beiden Frauen einander hassen. Eine junge Magd namens Eva, die Sophie gedient hat, wird ebenfalls aussagen. Und eine Frau aus einem Nachbardorf. Man wird anführen, dass Sophie Ambrosius – einen Diener des Herrn – zur Unzucht verführte und ihn gegen ihren rechtmäßigen Ehemann aufhetzte, als der kam, um der Sünde ein Ende zu bereiten. Ambrosius ist ins Kloster Steinfeld geflohen und liegt dort auf den Knien, bereit zu sterben, aber nicht bereit, noch einmal Wildenburger Gebiet zu betreten. Seine Flucht wird ihn und Sophie in den Augen der Menschen schuldig sprechen.« Er machte eine kurze Pause. »Natürlich wird Marsilius auch und vor allem anführen, dass sein Weib sich mit einem Zauberer zusammengetan hat.« Das Letzte kam ihm nur schwer über die Lippen. Er fühlte sich schuldig. Endlich.
    Julius setzte sich an den einzigen Tisch im Zimmer und ließ die Finger über einen Haufen Strumpfhosen gleiten, die zum Flicken auf der Tischfläche ausgebreitet lagen. So endete es also: Man würde Sophie verbrennen. Es war eine grausame Art zu sterben, aber nichts gegen die peinliche Befragung, die Marsilius zweifellos vorher durchführen würde, um zu einem Geständnis zu kommen. Sophie ohne ein Geständnis hinzurichten, das würde er nicht wagen, nachdem die Eheprobleme des Wildenburger Herrschaftspaares vor dem Reichskammergericht diskutiert worden waren. Julius krallte die Hände in die zerfledderten Strümpfe.
    »Hilfst du, sie zu retten?«, fragte Marx.
    »Unmöglich.« Selbst, wenn ich es wollte. Und warum sollte ich? Sie hat deutlich genug gemacht, wie sie zu mir steht. Sophie hat das Band zerschnitten, nicht ich.
    »Es ist ihre Entschlossenheit«, sagte Marx.
    »Bitte?«
    »Sophie ist eine Kämpferin. In ihr brennt ein Licht. Sie riskiert alles, wenn es nötig ist.«
    »Tut sie das?«, fragte Julius förmlich.
    »Sie hat beschlossen, dass ihr Kind gerettet werden muss, und dafür läuft sie über Scherben und geht durch die Hölle. Ich kann nicht anders, als sie für diesen Mut zu lieben. Ich bewundere ihn, weil … er ist so selten. Und du? Womit hat sie dich bezaubert?«
    Über Scherben und durch die Hölle gehen. Julius lächelte bitter. Marx hatte nicht Sophie beschrieben, sondern sich selbst. Das Mädchen hatte einfach ein glückliches Leben gewollt. Er ließ die Strumpfhosen fahren und trat zum Fenster. Draußen begann es schon wieder zu dämmern.
    »Man muss versuchen, ihr zu helfen. Es gibt immer eine Möglichkeit«, sagte Marx.
    »Warum ergreifst du sie dann nicht?«
    Marx blieb die

Weitere Kostenlose Bücher