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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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furchteinflößendsten fand ich sein Lächeln.«
    »Pardon?«
    »Marx von Mengersen. Ich muss gestehen, wenn er lächelte, dann hatte ich den Wunsch, mich zu bekreuzigen. Man lächelt, wenn man sich freut, und schaut finster, wenn man sich ärgert. So ist es doch, oder? Bei ihm schien es genau umgekehrt. Er hatte einen Mordsspaß, wenn er in eine Klemme geriet. Und auch seine Fechtkunst war mir unheimlich. Dieses geschwinde Hauen und Stechen. Kaum dass man mit den Augen nachkam.«
    »Er konnte trotz seiner verletzten Hand noch fechten?«
    Ambrosius wiegte den Kopf. »Er übte auch wie der Teufel. Jeden seiner Unholde hat er rangenommen. Und wenn er argwöhnte, dass einer ihn schonen wollte, hat er ihn glatt umgehauen. Jesus und Maria – das könnt Ihr Euch nicht vorstellen!«
    »Ich kann«, versicherte Julius trocken. Die Vögel hatten das Stalldach verlassen und wieder zu picken begonnen.
    »Irgendwann war er besser als all die anderen, und sie haben ihm nichts mehr nachgesehen, sondern versucht, ihre Haut zu retten. Da ging’s richtig zum Tanz! Wie will man mit jemandem fechten, der sich einen Dreck drum schert, ob ihn die Klinge erwischt? Nicht dass es passiert wäre – er war ja wendig wie …«
    »… der Teufel.«
    »Genau mein Gedanke, obwohl man sich hüten sollte, den Namen des Bösen leichtfertig …«
    Julius ließ die Hacke fallen und sprintete los. Er brachte die geringe Entfernung zum Stall in wenigen Sätzen hinter sich. Als er um die Mauer bog, stolperte er in eine Palisade aus Ästen, an der die letzten Bohnen des Jahres rankten. Sie brach unter seinem Schwung zusammen, und er warf sich auf den Kerl, den er dahinter vermutet hatte. Der Mann schrie auf. Seine Stimme war piepsig hell, und auf seiner Brust, auf die Julius zu liegen kam, wuchsen zwei Berge. Julius stöhnte leise auf.
    »Na, so was – ein Gemüsedieb!« Ambrosius, der ihm gefolgt war, korrigierte sich, als er den roten Rock und die Bluse erblickte: »Eine kleine elsterhafte Gemüse diebin! «
    Julius half der Übeltäterin aus den zerdrückten Bohnen. Er hatte keine Ahnung, wie alt sie sein mochte. Sicherlich noch jung, denn ihr Busen war, wie er peinlicherweise hatte feststellen müssen, stramm. Das ausgemergelte Gesicht mochte vom Hunger stammen.
    »Kind, kannst du mich nicht um einen Happen fragen, anstatt dich zu versündigen?«, fuhr Ambrosius das Mädchen an. »Nicht, dass ich ihr viel geben könnte«, unterrichtete er Julius rasch. »Im Winter stehen sie zu Dutzenden an meinem Zaun. Und auch der größte Krümel lässt sich nicht beliebig teilen. Aber wenn du fragtest …« Das ging wieder an das Mädchen, das sich ohne besondere Furcht die Erde vom Rock klopfte, »dann würde ich doch sehen, ob sich nicht ein Äpfelchen fände.«
    »Vergebt mir, Pater«, sagte die Diebin ohne ein Zeichen von Reue. Ihr Interesse galt Julius, den sie ungeniert musterte.
    »Nun gut, ich sehe, Kind, dass meine Mahnung dir zu Herzen geht, und obwohl ich wünschte, deine Mutter hätte sie zu dir gesprochen, als du noch empfänglicher für läuternde Worte warst, spüre ich doch, wie der Same aufzugehen beginnt.« Ambrosius legte eine pädagogische Pause ein, die er so lange dehnte, bis das Mädchen nickte. »Ich lasse dich also laufen. Ja, ich stecke dir das Äpfelchen sogar wirklich zu. Es wird dich lehren, dass der Herr gottgefälliges Handeln belohnt. Iss ihn mit einem Gebet im Herzen, das deine Seele läutert.«
    Das Mädchen wandte seinen berechnenden Blick von Julius zum Pater, dankte ihm und ging seines Weges. Julius sah ihr nach, wie sie zwischen den Obstbäumen verschwand. Neben den Apfelbäumen wuchsen Kirschen, Pfirsiche und dunkelviolette Pflaumen. Wenn die Kleine wirklich Hunger gehabt hätte, hätte sie sich dort gefahrlos die Taschen vollstopfen können, denn der Winkel war von der Bank aus nicht einzusehen.
    Sein Herz schlug schneller, seine Stimmung stieg.
    Die folgende Nacht war von Vogelgesang erfüllt. Neben dem melancholischen Gesang einer Nachtigall hörte Julius, der wieder im Garten nächtigte, einen Zaunkönig und das schrille Ziek eines Kernbeißers und mehrere Male den knallenden Flügelschlag eines Ziegenmelkers. Er starrte in den sternenübersäten, schwarzblauen Himmel, der aussah wie löchriger Samt über einem Goldschatz. Der Pater, der auch in dieser Nacht neben ihm schlief, war von seiner dünnen Strohmatte gerutscht und schnarchte leise. Mäuse huschten durch das Laub.
    Langsam schob Julius das Knie des

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