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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Nachbarin als Hexe denunzieren, und schon wird dieser Frau Buhlschaft mit dem Teufel, nächtlicher Flug zum Sabbat und was der unsinnigsten Dinge noch mehr sind angehängt. Wo sollen denn auf einmal die Abertausende von Hexen und Zauberinnen herkommen? Selbst die Pfaffen reden in ihren Predigten von nichts anderem mehr, und man könnte meinen, dass sie selber inzwischen mehr an den Satan und seine Gesellen als an Jesus Christus glauben.»
    Barbara hatte ihm die ganze Zeit aufmerksam zugehört. «Ich hoffe, Ihr nehmt mir meine Frage nicht übel – aber seid Ihr Lutheraner?» Lutheraner war in Freiburg eine schlimmere Schmähung als Heide oder Gottloser.
    «Lutheraner zu sein hieße den Teufel mit dem Beelzebub austreiben», gab Anselm mit bitterem Lächeln zurück. «Dieser Luther hat doch denselben Schwindel verbreitet wie unsere Kirche – dass es Frauen gebe, die Kühe und Kinder verhexten, und dass solche Frauen zu töten seien. Und seine Gefolgsleute waren es, die vor dreißig Jahren mit diesem Gemetzel angefangen haben. Über sechzig Frauen wurden damals in Wiesensteig auf der Alb in kürzester Zeit verbrannt. Und es waren ebenfalls die Protestanten, die in Kursachsen die Kriminalordnung verschärften. Zum ersten Mal in der Rechtsgeschichte wird dort seit Jahren Magie und Zauberei mit dem Feuertod bestraft, völlig unabhängig davon, ob einer Person Schaden zugefügt wurde oder nicht.»
    Unwillkürlich warf Catharina bei den Worten Magie und Zauberei einen Blick auf Barbara, doch die Köchin zeigte keine Regung. Gebannt hing sie an Anselms Lippen.
    «Obwohl ich zugeben muss», fuhr der Junge fort, «dass gerade unter den Calvinisten ein paar gescheite Köpfe sind, wie dieser Hofarzt Johann Weyer oder der Heidelberger Professor Hermann Witekind. Deren Traktate –»
    «Aber irgendetwas muss doch an solchen Anschuldigungen sein», unterbrach Catharina Anselms Ausführungen.
    «Darauf wollte ich ja gerade eingehen. Überlegt Euch nur einmal, welche Sorte von Frauen in den allermeisten Fällen angeklagt werden: Einfache Gemüter, die brav an Hölle, Teufel und Dämonen glauben, wie es unsere Kirche uns schon mit der Muttermilch eingibt. In ihrem Wahn bilden sie sich ein, dass der gestrige Hagelsturm oder die sterbende Kuh auf ihrem Mist gewachsen sei, phantasieren herum, dass sie nächtens auf gesalbtem Stecken zum Bromberg geflogen seien und dort mit dem Teufel Unzucht getrieben hätten.
    Einzig dieser Wahn, den ich eher als seelische Krankheit bezeichnen würde, mag ein Werk des Teufels sein. Ich habe etliche Gutachten gelesen, aus denen hervorgeht, dass es zu gar keinen Schäden gekommen ist, und dennoch wurden die armen Frauen verbrannt, nur weil sie dummes Zeug gefaselt haben!»
    «Aber alle Verurteilten haben doch Geständnisse abgelegt, die sich zudem fast im Wortlaut gleichen», warf Catharina ein. «Das kann doch nicht bloße Einbildung sein.»
    «Wie würdet Ihr reagieren, wenn man Euch fragte: Habt Ihr dies getan, habt Ihr jenes getan, und dabei würde Euch jemand Daumenschrauben anlegen oder die Fußnägel ausreißen? Wie viel Wahrheitsgehalt kann in einem Geständnis stecken, das unter Folter erpresst wurde?»
    Fast beschämt betrachtete Catharina diesen rot gelockten Burschen mit dem kindlichen Gesicht. Wie oft schon hatte sie angesichts der Hexenprozesse in Freiburg oder anderswo das blanke Grauen gepackt, jedes Mal wurde sie von Mitgefühl für die Opfer gequält, doch nicht ein einziges Mal hatte sie ihren Verstand benutzt und sich Gedanken über das Vorgehen der weltlichen und geistlichen Richter gemacht. Da musste erst dieser Anselm auftauchen, der gerade mal siebzehn Jahre zählte.
    «Wisst Ihr, was ich glaube?», fuhr Anselm leise fort. «Ich glaube, dass all diese Menschen unschuldig hingerichtet werden. Ich will Euch ein paar Beispiele nennen: Im westfälischen Osnabrück hat ein Knecht kürzlich in einem Keller einen Mann und eine Frau schlafend aufgefunden. Er sah sofort, dass die beiden Einbrecher sturzbetrunken sein mussten, denn an die fünf Fuder Wein waren ausgesoffen. Er brachte sie zum Bürgermeister, der sie, noch im Zustand der Trunkenheit, peinlich befragen ließ. Die verwirrten Seelen berichteten, sie hätten an einem teuflischen Gelage auf dem Blocksberg teilgenommen, und gaben bereitwillig über hundertsechzig weitere Namen an. Jeder Richter mit halbwegs gesundem Verstand hätte die beiden wegen Trunkenheit, Diebstahls und Einbruchs verurteilt, stattdessen wurden sie und

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