Die Hexe von Freiburg (German Edition)
sich aus wie ein Fürstenfräulein.»
«Dein Vorwurf der Bereicherung ist so lächerlich wie falsch», sagte Wimmerlin ruhig. «Du hast anscheinend keine Ahnung, was ein Scharfrichter heutzutage kostet. Und ein Scheiterhaufen erst, der so kunstvoll konstruiert sein muss, dass ein Menschenleib vollständig zu Asche verbrennt. Und für Freiburg gilt deine Beschuldigung schon gar nicht: Den größten Teil des Vermögens von Hingerichteten, auch von Hexen, erhalten deren erbberechtigte Kinder.»
«Aha! Das wäre doch eine einleuchtende Erklärung für den mangelnden Eifer der Freiburger Gerichte. Weißt du, August, was mich bei dieser ganzen Auseinandersetzung um Hexen und um Zauberei am meisten stört? Dass der zumeist harmlose Aberglaube des Volkes regelrecht dämonisiert wird, und zwar von einer Kirche, die zur Hilfe gegen die tägliche Unbill Mittelchen anbietet, die denjenigen der schwarzen und weißen Magie verblüffend ähnlich sind.»
«Pass auf, Anselm.» Wimmerlins Stimme bekam etwas Drohendes. «Du schießt übers Ziel hinaus.»
«Ich bin noch nicht fertig. Sieh dir doch dieses ganze Arsenal von Devotionalien und Benediktionen, von christlichen Amuletten und Breverln an – was mich betrifft, ich kann längst nicht in jedem Fall unterscheiden, ob es sich nun um Gebete oder um Beschwörungen, um einen kirchlichen Schutzbrief oder um magische Abwehrzeichen handelt.»
«Legitim ist es, die Erfüllung eines Gebets dem Wirken Gottes zuzuschreiben, illegitim, es dem Gegenstand zuzuschreiben.»
«Meine Güte, erkläre das mal einem Knecht oder einer Magd, die weder lesen noch schreiben können. Ich kann dir aber auch ein anderes Beispiel nennen: Mit dem Läuten geweihter Kirchenglocken sollen Unwetter vertrieben werden. Versucht ein Wettermacher dasselbe, indem er ein Messer oder Amulett in die Luft schleudert, so ist das Magie und Gotteslästerung. Wie soll der einfache Mann unterscheiden zwischen Aberglauben und christlichem Glauben, wenn der Pfarrer in der Messe so unglaubliche Dinge vollbringt wie die Verwandlung von Brot in den Leib Christi und von Wein in das Blut Christi und diesem einfachen Mann die unverständlichen, weil lateinischen Worte ‹Hoc est enim corpus meum› wie eine Beschwörung klingen, wenn der Pfarrer den Heiligen Geist in Tauf- und Weihwasser, in Öl, Wachs, Kräuter und Stein bannt, wenn dieser Pfarrer seine kranke Kuh mit Weihwasser besprengt, ein Kreuz darüber schlägt und ihr geweihtes Salz eingibt, wenn –»
«Hör auf, dieses blasphemische Geschwafel muss ich mir nicht weiter anhören. Du solltest dir ein anderes Handwerk suchen, mit dieser Einstellung wirst du nie zum Studium der Rechte zugelassen.»
«Du bist ein Arschloch, Wimmerlin!»
«Und du ein Dummkopf. Du kannst froh sein, wenn ich in der Fakultät niemandem von diesem Gespräch erzähle. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtiger.»
Dann hörte Catharina das scharrende Geräusch eines wegrückenden Schemels und wie die Tür ins Schloss fiel. Als sie in die Stube trat, waren sowohl Anselm als auch August verschwunden.
In einem kleinen markgräflichen Weiler, eine halbe Stunde hinter Krozingen, machten sie Mittagsrast. Der Himmel blieb, wie er den ganzen Morgen schon gewesen war: grau und von einer Wolkendecke verhangen.
«Hoffentlich regnet es nicht», sagte Catharina.
«Könnte schon sein», meinte Sommerer, «aber da es nicht nach Gewitter aussieht, wird der Regen so heftig nicht sein. Außerdem könnt Ihr ja, wenn Ihr eng zusammenrückt, auch unter die Plane rutschen.»
«Hoffentlich regnet es bald», murmelte Christoph, und Catharina gab ihm einen Nasenstüber.
Während der Fuhrunternehmer die Pferde ausspannte und zur Tränke führte, breitete Catharina neben dem Wagen Barbaras Schätze aus: knusprig ausgelassene Speckseiten, zehn hart gekochte Eier, zwei Laibe dunkles Brot, ein riesiges Stück Butterkäse, Äpfel und eingelegte Kirschen, in Fett gebackene Krapfen und mit Honig bestrichene und eingerollte Pfannkuchen. Dann rief sie Sommerer heran.
«Kommt, esst mit uns, unsere Köchin hat uns viel zu viel eingepackt.»
«Da sag ich nicht nein. Aber wartet einen Augenblick, dort drüben wohnt ein Winzer, der baut einen hervorragenden Roten an!»
Catharina sah sich um. Was für eine liebliche Landschaft! Das Rheintal ging in sanften Hügeln, die Obstwiesen und Weingärten trugen, in den Schwarzwald über, der von der majestätischen Kuppe des Belchen beherrscht wurde. Fruchtbar und üppig sah das Land
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