Die Hexe von Freiburg (German Edition)
an den Wein, auch wenn er nach Essig schmeckt.»
Catharina schlief alles andere als ruhig. Sie war es nicht gewohnt, mit so vielen Menschen in einem Raum zu liegen, zudem machte ihr die schlechte Luft zu schaffen, denn die Wirtin hatte ihnen verboten, die Fenster zu öffnen, solange es regnete. Auch Christoph, der zwischen ihr und dem Fuhrmann lag, wälzte sich auf seinem Sack unruhig hin und her, sodass Sommerer ein Stück weit von ihm abrückte.
Inzwischen waren alle Lichter gelöscht, was manche nicht daran hinderte, im Dunkeln weiterzuzechen. Das erste Schnarchen war zu hören und mischte sich mit dem steten Platschen dicker Regentropfen in eine Blechschüssel. Dann setzte nur wenige Schritte weiter ein leises, rhythmisches Stöhnen ein, das bald darauf auch noch aus einer anderen Richtung zu hören war. Catharina wäre am liebsten nach draußen gegangen, um einen Spaziergang zu machen.
Endlich hörte der Regen auf. Sie stand auf und öffnete vorsichtig, um niemanden zu wecken, das Fenster. Kühle Nachtluft strömte herein und erfrischte sie. Der Himmel klarte langsam auf, und ein fast voller Mond schien in die Gaststube. Catharina wollte sich eben hinlegen, da stutzte sie: Die Gestalt, die sich von hinten an Christoph presste, war doch nicht Sommerer! Dann begann sich die Gestalt sachte zu bewegen, dabei rutschte die Decke zur Seite, und Catharina sah einen bleichen splitternackten Frauenkörper und eine Hand, die Christophs Geschlecht umfasste. Es war die jüngste der drei Dirnen. Als sich Christoph ihr mit einem leichten Grunzen entgegendrehte, griff Catharina kurzerhand in den Haarschopf der Frau und zog.
«Au! Hör auf, du Miststück!»
«Lass augenblicklich meinen Mann los und verschwinde, sonst reiß ich dir deine Haare einzeln aus», zischte Catharina wütend.
«Ruhe!», riefen Stimmen aus der Dunkelheit. «Tragt Eure Streitereien draußen aus.»
«Was ist denn los?», fragte Christoph erstaunt und tastete nach Catharinas Hand.
«Das fragst ausgerechnet du», antwortete Catharina böse. «Du warst doch kurz davor, diese Dirne zu … zu …» Das Mädchen war inzwischen im Schutz der Dunkelheit verschwunden.
«Ich schwöre dir, Cathi, ich habe geschlafen. Na ja, ein bisschen wach geworden bin ich eben schon, aber ich dachte, du seist es und –»
«Was und?»
Er nahm sie in den Arm und zog sie fest an sich. «Und ich habe mich gefreut.»
Sie spürte, wie sich seine Erregung auf sie übertrug, und wickelte sich umso fester in ihren Umhang.
«Bitte, Christoph, hör auf. Ich finde es schrecklich hier in dieser verlausten Bude, wo herumgehurt wird wie in einem Frauenhaus.»
«Dann lass uns rausgehen und uns ins nasse Gras legen.»
«Du spinnst.»
«Wenn jetzt nicht bald Ruhe ist, hole ich die Wirtin!», schimpfte eine Frau. Entnervt legte sich Christoph auf die Seite.
Als Catharina mit leichten Kopfschmerzen erwachte, dämmerte es, und die ersten Gäste machten sich bereits zum Aufbruch fertig. Strahlend, mit nassem Gesicht, stand Sommerer neben ihrer Schlafstatt.
«Es ist herrliches Wetter. Wenn wir gleich losfahren, schaffen wir es heute bis Laufenburg.»
«Kann man sich hier denn waschen?», fragte Catharina.
Er nickte. «Draußen an der Viehtränke.»
Die kalte Morgenluft ließ ihre Kopfschmerzen augenblicklich verschwinden. Sie drängte sich zwischen zwei ältere Frauen an die Tränke, holte tief Luft und klatschte sich dann mit vollen Händen das eisige Wasser an Hals und Gesicht. Nachdem sie sich mit ihrem Sacktuch abgetrocknet hatte, hielt sie es noch einmal unter Wasser und lief in die Stube zurück. Genüsslich drückte sie das eiskalte Tuch auf Gesicht und Nacken des schlafenden Christoph.
«Hilfe!»
Mit einem Schrei richtete er sich auf und riss Catharina das Tuch aus der Hand.
«Die Rache für deine nächtlichen Gelüste –»
Sommerer, der die Szene beobachtet hatte, lachte. «Die Dirne hat Eurem Mann ja einen schönen Schlamassel beschert. Diese Weiber schrecken wirklich vor nichts zurück, nicht mal vor anwesenden Ehefrauen. Ich warte draußen am Wagen auf Euch, ein Morgenmahl gibt es hier nämlich nicht. Bis gleich.»
Auf Catharinas Bitten hin machte der Fuhrmann einen Abstecher an den kleinen Hafen. Träge glitzerte der mächtige Strom in der Morgensonne. An der Anlegestelle machte gerade ein Schiffszug aus vier lang gestreckten, mit bunten Fahnen geschmückten Transportschiffen fest. Catharina hatte noch nie Schiffe mit Aufbauten und Segeln oder Flöße in
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