Die Hexe von Freiburg (German Edition)
meine Sturheit. Na ja, in Heidelberg gibt es eine reformierte Universität, an der eine andere Rechtslehre als hier vertreten wird. Ich werde Freiburg und Euer Haus verlassen müssen.»
Er legte den Kopf auf die Tischplatte und weinte.
32
Die Margret Vischerin ist verhaftet worden!» Schwer atmend stand Beate im Türrahmen und schüttelte sich die Schneeflocken von der Kapuze. «Man hat sie heute Morgen zur Befragung in den Predigerturm gebracht.»
Catharina sah sie ungläubig an. Gestern erst waren die Pfaffenmagd und die Frau des Rebmanns bei lebendigem Leib den Flammen übergeben worden, heute schon glaubte man, die nächste Hexe gefunden zu haben. Catharina wusste von Anselm, wie das gemeinhin vor sich ging: Hatte die Frau unter der Folter ihre Buhlschaft mit Satan und sämtliche damit einhergehenden Abscheulichkeiten gestanden, musste sie alle Personen besagen, die zu ihrer Hexengemeinschaft gehörten. Die Bezichtigten wurden unverzüglich gefangen genommen. Auf diese Weise hoffte man, sämtliche Beteiligten der Hexenverschwörung ausfindig zu machen und diese größte Bedrohung des christlichen Friedens ein für alle Mal auszurotten. So wurde es überall im Land gehandhabt, und so waren auch in Freiburg inzwischen zahlreiche Menschen, fast immer Frauen, der Hexerei überführt worden.
Doch jetzt saß zum ersten Mal eine Frau wegen Hexereiverdachts im Turm, die Catharina persönlich kannte. Zwar verbanden sie mit der Vischerin nicht gerade freundschaftliche Gefühle, doch hatte sie sie willkommen geheißen, wenn Beate sie hin und wieder mit ins Haus gebracht hatte, denn sie empfand Mitleid mit dieser einsamen, verhärmten Frau. Zugegeben, ein wenig unwohl konnte einem schon werden in ihrer Gegenwart, wenn sie so schweigsam mit stumpfem Blick auf der Bank saß und die ausgelassene Runde beobachtete. Catharina hatte nie viele Worte mit ihr gewechselt.
«Das muss ein Irrtum sein. Die Vischerin kann doch keiner Fliege etwas zuleide tun», sagte Catharina, doch sie zweifelte an ihren eigenen Worten. «Bestimmt wird sie bald wieder freigelassen.»
Beate starrte sie an. «Catharina, ich habe Angst!»
Dichte graue Nebelschwaden standen zwischen den Häusern und ließen den Tag vorzeitig zu Ende gehen. Die Menschen beeilten sich, nach Hause zu kommen, lauerten doch bei solchem Wetter noch mehr Gefahren als sonst in den düsteren Gassen. Selbst Anselm, sonst nicht gerade ängstlicher Natur, beschleunigte seinen Schritt. Eben war er beim Schmuckhändler gewesen, um ein Abschiedsgeschenk für Catharina auszusuchen. Er durfte gar nicht daran denken, dass er schon übermorgen nach Heidelberg aufbrechen würde. Wie ein warmes gemütliches Nest war ihm das Haus zur guten Stund immer erschienen, und er hätte sich gewünscht, bis zur Gründung einer eigenen Familie dort bleiben zu dürfen.
Man kann ja nicht mehr die Hand vor Augen sehen, dachte er, als er den Platz vor dem Rathaus überquerte. Da bemerkte er vor sich die schemenhafte Gestalt eines hageren hinkenden Mannes. Er erkannte Siferlin, der eilig über den Platz Richtung Ratskanzlei schlurfte, wo ein untersetztes Männlein gerade das Haupttor verriegelte.
«He, Secretarius Wagner, seid Ihr das?», rief Siferlin leise. Das Männchen wandte sich um, und die beiden begrüßten sich.
Anselm hätte ebenso gut nach Hause gehen können, zumal ihm durch und durch kalt war. Doch irgendetwas in seinem Inneren hieß ihn, die beiden Männer im Auge zu behalten. Rasch lief er hinüber zu den Laubengängen des Kollegiengebäudes, das neben der Ratskanzlei stand. Mit dem Nebel hatte Tauwetter eingesetzt, und der Schlamm schmatzte und zog an seinen Holzpantinen.
«Ist da nicht eben jemand vorbeigelaufen?», hörte er Siferlin fragen. Er stand nur einen Steinwurf von ihm entfernt. Angespannt drückte sich Anselm im Dunkel des Vorbaus hinter einen engen Holzverschlag.
«Ich habe niemanden gesehen», entgegnete der Secretarius. «Worum geht es, Meister Siferlin?»
«Sind der Schultheiß oder der Statthalter noch im Hause? Ich habe eine wichtige Aussage zu machen.»
«Nein, es ist niemand mehr in der Kanzlei. Und ich fürchte, dass sie auch die nächsten Tage keine Zeit für Aufwartungen haben, denn sie stecken mitten in diesem Prozess.»
«Wartet ab, was ich zu sagen habe. Kommt, gehen wir hinüber zu den Lauben, da sind wir ungestört.»
Ihre Schritte näherten sich und kamen dicht neben dem Verschlag zum Stehen. Anselm konnte Siferlins heißen Zwiebelatem riechen. Sein
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