Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Herz klopfte bis zum Hals. Wenn er nun entdeckt wurde?
«Also, fasst Euch kurz, Meister Siferlin, ich habe wenig Zeit.»
«Es geht um Catharina Stadellmenin. Ich habe gehört, dass die Vischerin sie der Mittäterschaft bezichtigt hat. Ich kenne die Stadellmenin sehr gut und könnte Euch wichtige Hinweise geben, um sie endgültig der Hexerei und Zauberei zu überführen. Sie hat nicht nur –»
«Halt, Siferlin, kein Wort mehr hier auf der Straße. Wir müssen sofort zum Schultheiß. Er sitzt mit dem Statthalter im ‹Roten Bären› beim Abendessen.»
Nachdem die Männer sich entfernt hatten, kauerte Anselm noch minutenlang wie erstarrt in seinem Versteck. Das musste ein böser Traum sein. Seine Gevatterin sollte der Hexerei bezichtigt werden? Catharina Stadellmenin, die nie in ihrem Leben irgendwelchen magischen Praktiken nachgegangen war? Doch es gab keinen Zweifel, er hatte jedes einzelne Wort verstanden, und Anselm wusste nur zu gut, was als Nächstes geschehen würde. Er stürzte los in die milchige Dämmerung, den Franziskanerplatz hinunter Richtung Predigerkloster und in die Schiffsgasse. Er rannte, so schnell er konnte. Der Matsch spritzte ihm bis an die Knie, die schweren Holzschuhe schienen am Boden festzukleben. Kurzerhand streifte er sich Schuhe und Fußlappen ab und lief das letzte Stück auf bloßen Füßen weiter.
Im Sudhaus war noch Licht. Catharina war dabei, die Gerätschaften zu säubern und aufzuräumen. Verschwitzt, barfuß und mit Schlammflecken auf dem Rock stand Anselm vor ihr und bekam vor lauter Keuchen und Schrecken kein Wort heraus.
«Um Himmels willen, Anselm», rief Catharina erschrocken. «Was ist denn geschehen?»
«Ihr – Ihr müsst weg, sofort weg. Sie sind hinter Euch her!»
«Was redest du für Zeug? Wer ist hinter mir her?»
Anselm schlug die Hände vors Gesicht.
«Es ist wahr. Ich habe Siferlin belauscht, wie er mit einem Ratsdiener sprach. Er sagte, er könne helfen, Euch als Hexe zu überführen.»
«Aber das ist doch Unsinn. Was habe ich denn mit diesen Frauen, mit diesen Hexenprozessen zu schaffen?»
«Die Vischerin hat Euch bezichtigt!»
Catharina starrte Anselm an. Die Erde unter ihren Füßen begann zu schwanken, scheppernd fiel die Eisenpfanne aus ihrer Hand. Sie lehnte sich an die Wand. Dann gab sie sich einen Ruck. Jetzt nur nicht den Kopf verlieren.
«Erzähl mir genau, was du gehört hast.»
Der Junge holte tief Luft und berichtete von der Zusammenkunft der beiden Männer.
Siferlin, dachte Catharina nur, immer wieder Siferlin. Jetzt sieht er den Moment gekommen für die große Rache seines Lebens. Sie blickte auf Anselms nackte Füße.
«Komm mit in die Küche. Du musst deine Füße wärmen, sonst bekommst du Frostbeulen.»
Eine halbe Stunde später saß Catharina mit Elsbeth und dem zitternden Jungen auf der Küchenbank und versuchte, sich zu beruhigen. Sie hatte niemandem geschadet noch jemals Böses gewollt. Wieso sollte ihr also Gefahr drohen?
«Das klärt sich bestimmt alles von selbst auf», sagte sie leise. «Was ich nur nicht verstehe: Warum benennt die Vischerin ausgerechnet mich? Die vier, fünf Abende, die sie hier verbracht hat, konnte sie es sich doch gut gehen lassen. Sie durfte essen und trinken, soviel sie wollte!» Einmal hatte Christoph sie sogar zum Tanz aufgefordert. Christoph – wenn er jetzt nur bei ihr wäre! Er würde den Arm um sie legen und ihr in seiner beruhigenden Art klar machen, dass sie nichts zu befürchten hatte. Doch sie war allein, hatte Christoph seit unsagbar langer Zeit nicht mehr gesehen. Plötzlich begann sie am ganzen Leib zu zittern.
«Warum hat sie das getan?», wiederholte sie ihre Frage und schlug die Hände vors Gesicht.
«Aus Neid, aus blankem Neid. Die Frau war mir nie recht geheuer», murmelte Elsbeth. Sie war leichenblass. «Ihr dürft keine Zeit verlieren. Ihr müsst sofort weg von hier, am besten nach Villingen. Sie können jeden Moment vor der Tür stehen, um Euch zu holen. Und dann bringen sie Euch in den –» Sie sprach den schrecklichen Gedanken nicht aus.
«Ach, Elsbeth, wie soll ich denn bei Nacht und Nebel nach Villingen kommen? Außerdem schließen in Kürze die Stadttore.»
«Dann versteckt Euch beim Schneckenwirt bis morgen früh.»
«Elsbeth hat Recht.» Anselm sah sie flehentlich an. «Ihr könnt nicht hier bleiben.»
Catharina schüttelte den Kopf. «Wir sollten uns nicht verrückt machen. Mir wird schon nichts geschehen. Siferlin hat nichts in der Hand, was mich mit
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