Die Hexe von Freiburg (German Edition)
zustimmend. Anselm strich sich über den Bauch und rülpste kräftig.
«Um ehrlich zu sein: Ich bin längst noch nicht fertig, so gut ist es. Hoffentlich hast du noch Nachschub in der Küche.»
Anfang Oktober brachte Anselm sein Bakkalaureat hinter sich, mit Ächzen und Stöhnen zwar, doch nun stand ihm der Weg offen zu seinem Herzenswunsch: dem Studium der Rechtswissenschaften. Eine rechte Feierstimmung wollte dennoch nicht aufkommen, zum einen, weil dies das erste Fest ohne Barbara gewesen wäre, zum anderen, weil sie sich Sorgen um Christoph machten, von dem sie schon seit Wochen nichts mehr gehört hatten.
«Das Beste ist», sagte Anselm zu Catharina, «ich reite gleich morgen nach Villingen. Es ist ohnehin höchste Zeit, dass ich mich wieder bei meinem Vater blicken lasse. Macht Euch um Christoph keine Gedanken, wahrscheinlich hat er einfach zu viel Arbeit, um den Gasthof allein zu lassen.»
Mit Bangen wartete Catharina auf Anselms Rückkehr.
«Christoph ist gesund und munter», rief er ihr schon von weitem zu, als er eine Woche später wieder ihr Haus betrat. Doch ein einziger Blick auf seine Miene verriet ihr, dass trotzdem etwas nicht stimmte. Er hielt ein Papier in der Hand, das er ihr überreichte.
«Er wird in absehbarer Zeit allerdings nicht kommen können. Sein Schwiegervater ist bettlägerig und braucht Tag und Nacht Pflege.»
Hastig faltete Catharina das Papier auseinander.
«Liebste Cathi, Carl hat einen schweren Schlag erlitten, war zwei Tage ohne Bewusstsein und ist nun halbseitig gelähmt. Sein Verstand setzt oft aus, dann verlangt er wie ein kleines Kind ständig nach mir. Er ist in einem furchtbaren Zustand, und ich kann ihn nicht allein lassen. Sicher ist, dass es mit ihm zu Ende geht, doch der eine Medicus spricht von wenigen Tagen, der andere meint, er könne noch monatelang so dahinsiechen. Inzwischen wünsche ich ihm den Tod nicht nur um unseretwillen, denn in den wenigen Momenten, wenn der alte Mann bei klarem Verstand ist, betet er mit solcher Inbrunst um einen baldigen friedlichen Tod, dass es mir die Tränen in die Augen treibt. Ich kann kaum mit ansehen, wie er leidet, und zugleich habe ich solche Sehnsucht nach dir, weiß ich doch nicht, wann ich dich wiedersehe. Doch was mich aufrecht hält und was auch du dir immer vor Augen halten solltest: Wenn diese Wochen vorbei sind, wird uns nichts mehr im Wege stehen, und wir werden für immer zusammen sein. In großer Liebe, dein Christoph.»
Monat um Monat verging, und es änderte sich nichts am Zustand von Christophs Schwiegervater. Das Leben im Haus zur guten Stund war ruhiger geworden, und die Nachbarn fanden keinen Grund mehr, sich zu beschweren. Anselm vertiefte sich in sein Studium, Beates Besuche wurden seltener, nur Margaretha kam nach wie vor regelmäßig mit ihrem Enkelkind vorbei. Hin und wieder legte sich Catharina den Wasserschlauch auf den Schoß, strich vorsichtig über die Ornamente des dunkler werdenden Leders und lauschte dem leisen Plätschern des Bodenseewassers. Es war bereits erschreckend viel Wasser verdunstet.
Dann brach das neue Jahr an, und mit den eisigen Winterstürmen des Januar fegte der längst tot geglaubte Wahn erneut über die Stadt, fachte die Scheiterhaufen an und trieb mehr Frauen denn je in den Tod. Wie einst die Pest breitete sich in den engen Mauern der Irrglaube der Menschen aus, dass der Nachbar, der Bruder, das eigene Eheweib mit Hexenkünsten die Weltordnung auf den Kopf zu stellen drohten und im Bunde mit dem Teufel die Herrschaft über alle christlichen Seelen anstrebten. Und fast unmerklich schlich sich nach kürzester Zeit die Gewissheit ins Bewusstsein, dass es sich bei den Unheil bringenden Verführern um Frauen handelte.
Elsbeth, die seit Barbaras Tod wieder regelmäßig am Gottesdienst teilnahm, erzählte mit solchem Entsetzen von der Verwandlung des Pfarrers während der Predigten, dass Catharina sie schließlich begleitete.
«Die Freveltaten dieser Unholde sind grauenhaft», brüllte der Gottesmann mit hochrotem Kopf von der Kanzel. «Sie beneiden die Kinder um die Gnade der Taufe und berauben sie derselben. Ja, das Fleisch einiger Kinder haben sie aufgezehrt, wie sie eingestehen. Unfassbar ist die Gottlosigkeit, Unkeuschheit, Grausamkeit, welche unter Satans Anleitung diese verworfenen Weiber offen und insgeheim betreiben. Seht ihr denn nicht», er ballte die Fäuste, und seine Stimme überschlug sich, «wie sich überall im Land Furcht und Schrecken ausbreiten, Teufel und
Weitere Kostenlose Bücher