Die Hexe von Freiburg (German Edition)
wird den Säugling tragen. Ihr habt schon genug für mich getan. Behüt euch Gott!»
So machten sie sich auf den Heimweg. Catharina schien in Gedanken versunken.
Kurz bevor sie den Gasthof erreichten, fasste Christoph Catharina bei der Schulter. Er wollte etwas sagen, wusste jedoch nicht, wie er es über die Lippen bringen sollte. Was für wunderschöne Augen sie hat, dachte er und strich ihr unbeholfen eine Haarsträhne aus der Stirn. Endlich brachte er einen Satz heraus, der ihm dafür, was er fühlte, viel zu nichts sagend erschien:
«Ich freu mich auf die Kirchweih, Cathi. Nur mit dir möchte ich tanzen.»
Catharina wusste nicht, was sie in den nächsten Tagen mehr beschäftigte: das Erlebnis der Geburt des kleinen Jungen oder Christophs glühender Blick, der flehende Klang in seiner Stimme. Wie gern hätte sie ihn an jenem Abend umarmt, stattdessen war sie mit abgewandtem Gesicht und ohne ein weiteres Wort ins Haus gegangen.
Zwei Abende vor Ostern wurde Christoph krank. Es begann mit Gliederschmerzen, in der Nacht bekam er Fieber. Lene und Catharina hörten durch die dünne Bretterwand, die seine Kammer von der ihren trennte, wie er sich im Bett herumwarf und stöhnte. Fast gleichzeitig sprangen sie auf und liefen hinüber. Schweißnass lag er neben der zerwühlten Decke.
Catharina betrachtete ihren Vetter. Über dem fein geschnittenen Mund zeigte sich seit kurzem ein zarter heller Flaum. Seine dunkelblauen Augen passten gut zu den hellen Haaren, und wenn er durchs Dorf ging, schauten ihm nicht nur die jüngeren Mädchen nach. Jetzt war das schmale Gesicht gerötet, Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
Lene holte die Mutter.
«Er hat hohes Fieber.» Marthes Stimme klang besorgt. «Cathi, in der Küche steht noch lauwarmes Wasser auf dem Herd. Und du, Lene, bring mir zwei Tücher und einen Lappen.»
Als die beiden zurückkamen, hatte Marthe ihrem Sohn das Hemd ausgezogen. Trotz seines elenden Zustandes fand Catharina ihn wunderschön. Er war sehr groß für seine sechzehn Jahre, dabei viel weniger ungelenk als seine Altersgenossen. Die muskulösen Beine und Arme glänzten im Schein der Lampe.
Marthe tauchte den Lappen in das warme Wasser und wusch dem Jungen den Schweiß vom Körper, mehrere Male. Danach wartete sie einen Moment lang und zog ihm dann mit Hilfe der Mädchen ein frisches Hemd über. Christoph war zwar wach, schien aber kaum wahrzunehmen, was um ihn herum vorging.
«Ihr könnt jetzt ins Bett gehen. Ich mache ihm noch Wadenwickel, das zieht die Hitze aus dem Körper.»
Catharina konnte nicht einschlafen. Sie dachte daran, dass es nun keinen Ostertanz mit Christoph geben würde. Im gleichen Moment schämte sie sich für diesen Gedanken. Wenn er nur wieder gesund würde! Was, wenn er an derselben Krankheit litt, an der sein Vater damals gestorben war?
Von nebenan hörte man keinen Laut mehr, und jetzt war es Catharina, die keine Ruhe fand und sich hin und her warf. Sie begann zu beten. Nur wenige Male hatte sie bisher in ihrem Leben gebetet, aber jetzt tat sie es umso inbrünstiger: zur Jungfrau Maria, von der sie wusste, dass sie die Hüterin der Kinder, Schwachen und Kranken war, deren sanftes Lächeln ihr Vater so oft gemalt hatte.
Am nächsten Morgen war das Fieber weiter gestiegen. Halb besinnungslos starrte Christoph mit flatternden, entzündeten Lidern ins Leere, sein Atem ging rasselnd, und er erbrach alles, was er zu sich nahm.
«Wenn es ihm morgen nicht besser geht, muss ich den Bader holen», sagte Marthe.
Gegen Mittag hielt es Catharina nicht länger aus. Sie bat ihre Tante um eine freie Stunde und machte sich auf den beschwerlichen Weg zur Vierzehn-Nothelfer-Kapelle, die an der Landstraße nach Basel lag. Beschwerlich deshalb, weil sie dazu die Dreisam durchqueren musste, wollte sie nicht den großen Umweg über die Stadt machen und damit kostbare Zeit verlieren.
Sie kannte eine Furt. Gott sei Dank führte der Fluss kein Hochwasser mehr, und so gelangte sie sicher, wenn auch mit nassen Rockschößen ans andere Ufer. Mit klopfendem Herzen durchquerte sie riesige Viehweiden. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass diese halb wilden Rinder jemanden auf die Hörner genommen hätten. Dort, wo sich seit einiger Zeit das Hochgericht befand, erreichte sie die Basler Landstraße. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand am Galgen hing oder auf das Rad geflochten war – davor hatte sie die meiste Angst gehabt.
In der kleinen Kapelle herrschte eisige Kälte. Links und
Weitere Kostenlose Bücher