Die Hexe von Freiburg (German Edition)
fing sie an zu schluchzen.
«Du hast recht getan, Lene», versuchte Catharina sie zu trösten. Dann stieß sie ein schrilles Lachen aus, weil sie an Johanns Alraunmännchen dachte: Wer sich dieser Wurzel nicht rechtzeitig vor dem Tode entledigte, auf dem lastete der Fluch ewiger Verdammnis. Ihr Lachen wurde lauter, und Lene sah sie erschrocken an.
«Er war nicht nur ein Gesetzloser», flüsterte Catharina, «sondern auch teuflisch. Hörst du, Lene? Der Teufel war in ihm, und jetzt ist er dort, wo er hingehört.»
Erschöpft ließ sie sich ins Gras fallen und fing ebenfalls an zu weinen.
Lange Zeit lagen sie in der glühenden Mittagshitze, ohne sich zu rühren. Erst als Moses bellte, weil dicht am Ufer ein Floß vorbeitrieb, standen sie auf. Catharina packte Lene am Arm.
«Wir müssen noch einmal zur Hütte zurück. Niemand darf erfahren, was geschehen ist. Wenn wir ihm alles, was er hat, wegnehmen, sieht es aus wie ein Raubmord.»
Auf der Leiche und dem Erbrochenen hatten sich inzwischen Schwärme von fetten, blauschwarz schillernden Fliegen niedergelassen. Hastig leerten sie Johanns Taschen, zogen ihm die Schuhe aus und stopften alles in seinen Beutel. Dann banden sie einen schweren Stein daran und versenkten die Sachen im Fluss.
Lene wirkte inzwischen wieder gefasster. «Was ist, wenn du von ihm ein Kind bekommst?»
Catharina zuckte zusammen. Wie in einem bösen Traum sah sie wieder den massigen Körper vor sich, der sich auf sie legte. In ihrem Magen rumorte es erneut.
«Was soll ich denn machen?»
Lene zupfte sich am linken Ohr, wie immer, wenn sie nachdachte.
«Komm mit. Ich weiß, wer uns vielleicht helfen kann.»
Die alte Gysel lebte ein Stück außerhalb des Dorfes in einem winzigen, mit Efeu überwucherten Steinhaus. Sie war ihr Leben lang als Heilkundige tätig gewesen, die meiste Zeit davon in Freiburg. Aber nachdem vor ein paar Jahren die städtische Hebammenverordnung verschärft worden war und die heilkundigen Frauen nur noch im Dienste der Stadt, unter Aufsicht des Amtsarztes, arbeiten durften, hatte sie sich zu ihrer Tochter nach Lehen zurückgezogen. Von Rechts wegen durfte sie nur Küchen- und Heilkräuter verkaufen, aber in der Dorfgemeinde scherte sich niemand darum.
Freundlich begrüßte sie die beiden Mädchen.
«Du bist doch Lene, die Wirtstochter? Und du das Mädchen aus der Stadt, Catharina, nicht wahr? Kommt ans Fenster, damit ich euch besser sehe, mein Augenlicht lässt langsam nach.»
Befangen traten sie zu der zierlichen alten Frau, die am offenen Fenster saß. In dem niedrigen Raum roch es angenehm nach getrockneten Kräutern, und über dem Herdfeuer köchelten Suppen und Sude. Prüfend blickte Gysel die Mädchen an.
«Euch ist es nicht gut ergangen, das sehe ich.» Und mit einem Blick auf Catharinas zerrissenen Rock: «Da ihr ausgerechnet zu mir kommt, nehme ich an, dass ein gewalttätiger Mann dahinter steckt.»
Catharina nickte und spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Ohne um Erlaubnis zu bitten, setzte sie sich auf eine Bank. Die Alte ging zum Herd und goss zwei Becher randvoll mit einer dampfenden Flüssigkeit.
«Heißer Kräuterwein. Das wird euch stärken und den Schreck erträglicher machen.» Dann wandte sie sich an Catharina. «Dich hat also ein Mann genommen.»
Catharina nickte wieder und trank einen Schluck von dem süßen Wein.
«Hast du schon deine Blutungen?»
«Erst einmal, und das ist schon längere Zeit her.»
«Dann müssen wir mit dem Schlimmsten rechnen.» Sie stellte einen Kessel mit Wasser auf das Feuer. «Hab keine Angst, ich werde dich jetzt untersuchen. Dann nimmst du dort drüben ein heißes Sitzbad, und ich bereite derweil einen Sud vor.»
«Was für einen Sud?», fragte Catharina ängstlich.
«Aus Mutterkorn, Gartenraute und Wacholder. Damit spülst du dir den Unterleib.»
Behutsam untersuchte Gysel das Mädchen. Die Scheide war auf einer Seite wund, und Gysel trug eine kühlende Salbe auf. Damit bedeckte sie auch Catharinas geschwollene Lippe.
«Kanntet ihr den Mann?»
«Nein», antworteten sie fast gleichzeitig.
Ohne weiter auf Einzelheiten zu drängen, fuhr die Alte mit ihren Verrichtungen fort. Nachdem sie einen Bottich mit heißem Wasser gefüllt hatte, zog sich Catharina aus und setzte sich hinein. Im ersten Moment glaubte sie, sich zu verbrühen, doch dann entspannte sie sich. Lene hielt ihre Hand. Als ihre Blicke sich trafen, stieg ein Gefühl tiefer Dankbarkeit in Catharina auf.
Zurück im Gasthaus, stieß Marthe
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