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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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einen Schreckensschrei aus, als sie ihre Mädchen sah.
    «Um Himmels willen, was ist mit euch geschehen?»
    «Wir sind überfallen worden», antwortete Lene, und bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte: «Wir sind vom Weg abgekommen, als wir mit Moses spielten. Wir wissen nicht, wer der Mann war, aber Moses hat ihn gebissen und verjagt. Bitte, Mutter, frag nicht weiter.»
    Catharina bat ihre Tante, den Rest des Tages in ihrer Kammer verbringen zu dürfen. Dort spülte sie alle ein, zwei Stunden ihren Unterleib, betete zu Gott und allen Heiligen, dass sie nicht schwanger werde, und fragte sich immer wieder, ob sie das, was sie erlebt hatte, jemals würde vergessen können.
    Wochen später wurde Johanns Leiche gefunden. Hitze, Gewürm und streunende Hunde hatten sie beinahe unkenntlich gemacht.

9
    Am Tag nach dem Brand im Münsterturm starb Catharinas Vater. Wie sein Stiefsohn Claudius später erzählte, war er in der letzten Nacht sehr unruhig gewesen, hatte den Abend über halblaut vor sich hin murmelnd in der Heiligen Schrift gelesen und keine Anstalten gezeigt, zu Bett zu gehen. Stattdessen stieg er irgendwann auf den Dachboden. Bis tief in die Nacht hinein hörten sie seine schleppenden Schritte, hin und her schlurfte er über die ächzenden Dielen.
    Kurz nach Mitternacht brachen die Flammen im Münsterturm aus. Der Turmwärter hatte, nicht zum ersten Mal, ein paar Freunde und Weiber von der Straße zum Zechen und Würfelspiel auf den Turm eingeladen. Um sich in dieser kalten Herbstnacht zu wärmen, entfachten sie ein Feuer auf dem steinernen Zwischenboden. Dummerweise stolperte einer der Männer in seiner Trunkenheit mitten in die Feuerstelle: Glitzernde Funken stoben zu Tausenden in die Luft und setzten sich in den trockenen Balken des darüber liegenden Glockenstuhls fest. Wenige Augenblicke später züngelten die ersten Flammen das Holz entlang, hätten vielleicht noch gelöscht werden können, doch von den Saufkumpanen war keiner mehr bei klarem Verstand. Mit einem Schlag brannte lichterloh der gesamte Stuhl.
    Die halbe Stadt war inzwischen auf den Beinen. Eine Löschkolonne zog sich quer über den Münsterplatz. Hieronymus Stadellmen trat durch die Dachbodentür auf die Außenstiege und riss mit einem Aufschrei die Arme in die Höhe. Der neblige Nachthimmel warf den rotgelben Widerschein des Feuers zurück.
    «Und der erste Engel posaunte», rief er mit heiserer Stimme. «Und es kam Hagel und Feuer, mit Blut vermischt, und wurde auf die Erde geworfen. Und der dritte Teil der Erde verbrannte, und der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras verbrannte.»
    Dann stolperte er, stürzte die Treppe hinunter und blieb besinnungslos liegen.

    Catharina bereitete gerade das Frühstück, als Stadellmens Geselle in die Küche stürzte.
    «Schnell», keuchte er. «Dein Vater liegt im Sterben.»
    Bevor Catharina die Bedeutung dieser Worte richtig erfassen konnte, warf Marthe ihr einen Umhang zu.
    «Du nimmst das Pferd. Lene und ich kommen zu Fuß nach.»
    Der Geselle half ihr beim Aufzäumen, und sie schwang sich auf den blanken Pferderücken. In ihrem Leben war sie selten geritten, doch sie war kräftig und geschickt genug, um das schwerfällige Tier vorwärts zu treiben. Sie betete, nicht zu spät zu kommen.
    Als sie ihr Elternhaus erreichte, war der Priester bereits da. Ernst sah er sie an.
    «Gelobt sei Jesus Christus.»
    «In Ewigkeit, amen», gab sie zurück, ohne ihm die Hand zu küssen. Dann kniete sie vor ihrem Vater nieder, der mit geschlossenen Augen und schwer atmend im Bett lag. Zitternd nahm Catharina seine Hand. Sie war eiskalt. Claudius erzählte ihr in knappen Worten von dem Sturz und dass der Wundarzt nichts mehr habe ausrichten können. Auch ohne seinen Bericht hätte Catharina sofort gewusst, dass es dem Ende zuging. Sie spürte die Nähe des Todes mit jeder Faser ihres Körpers.
    Der Priester gebot ihnen zu schweigen. Mit heiligem Öl salbte er dem Sterbenden Augenbrauen, Mund, Hände und Füße und erteilte ihm die Absolution. Ob ihr Vater wusste, dass sie hier war? Nach langer Zeit sah sie, wie er seine Lippen bewegte, und fühlte einen leichten Druck seiner Hand. Sie beugte ihren Kopf über sein Gesicht und versuchte seine Worte zu verstehen.
    «Hab ich – dich – verstoßen …?»
    «Nein, Vater.» Tränen liefen ihr übers Gesicht. «Du hast mir bei Tante Marthe ein neues Zuhause gegeben. Mehr hättest du nicht tun können. Du darfst dir keine Sorgen mehr um mich

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