Die Hexe von Freiburg (German Edition)
und scherzte mit ihm, wie sie es sonst nur mit Lene konnte.
Marthe, die den beiden an der Hochzeitstafel gegenübersaß, freute sich ganz offensichtlich über Catharinas Ausgelassenheit. Sie knuffte ihre Nichte in die Seite.
«Der Stellmacher-Schorsch wäre doch nicht der Schlechteste, oder?», flüsterte sie. «Er ist fleißig und ehrlich und übernimmt bald die Wagnerei seines Vaters.»
Doch Catharina lachte nur und schüttelte den Kopf. Als Schorsch sie nach Hause brachte, machten sie einen Umweg über den Fluss. Es war Neumond und stockfinster. Sie lästerten über die Brautleute, über die jeder in Lehen wusste, dass sie sich von morgens bis abends nur stritten. Plötzlich stolperte Schorsch über eine Wurzel und riss Catharina, die er im Arm hielt, mit zu Boden.
«Au», entfuhr es ihm.
«Hast du dir wehgetan?», fragte Catharina, doch statt einer Antwort küsste er sie auf den Mund. Er tat es unerwartet sanft, und Catharina erwiderte bereitwillig den Kuss. Sie hätte nie gedacht, dass ihr das gefallen könnte. Da schob er ihr die Hand unter das Mieder. Heftig stieß sie ihn weg und sprang auf.
«Tu das nie wieder, hörst du.»
Verdutzt sah Schorsch sie an.
«Was ist mit dir?»
Catharina schwieg. Was hätte sie ihm auch sagen sollen? Dass sie auf einmal Angst vor seinem kräftigen Körper bekommen hatte?
Schorsch erhob sich.
«Ist es wegen Christoph? Glaubst du immer noch, er kommt zu dir zurück? Wieso willst du mich nicht? Vielleicht mache ich keine so stattliche Figur wie dieser Kerl, aber dafür würde ich dich auch nie so schändlich sitzen lassen.»
Schweigend gingen sie durch die Nacht, bis sie vor dem Wirtshaus standen. Schorschs Wut schien inzwischen verraucht.
«Darf ich dich wenigstens noch einmal küssen?»
«Darum geht es doch gar nicht», sagte sie, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und ging ins Haus. Sie fragte sich, ob sie wohl ihr ganzes Leben so verbringen würde, immer in Angst vor dem Augenblick, in dem sich ein Mann ihr nähern könnte. Dabei wünschte sie sich von ganzem Herzen Kinder. Mit Christoph hätte sie keine Angst gehabt, das wusste sie. Aber Schorsch hatte Recht, er würde nie zu ihr zurückkommen, jetzt, wo er mit Sofie verheiratet war und bald eigene Kinder haben würde.
Am nächsten Tag entschuldigte sie sich bei Schorsch, und sie versöhnten sich. Es blieb bei ein paar gelegentlichen Küssen.
10
Als Catharina neunzehn Jahre alt war, brach in der Stadt die Pest aus. Vorausgegangen war in jenem feuchtwarmen Frühjahr eine Rattenplage, wie sie die Einwohner noch nie erlebt hatten. In Rudeln huschten die Tiere selbst tagsüber durch die verschlammten Gassen. Der Magistrat untersagte bei strengsten Strafen, weiterhin Küchenabfälle und Kot auf die Straße zu kippen, konnte diese Gewohnheit aber kaum eindämmen.
Zunächst traf die Epidemie ein paar Alte und Hinfällige. Nach ein paar Tagen hohen Fiebers erschien deutlich sichtbar das Zeichen für diese Geißel Gottes: Die Kranken bekamen blaue Beulen unter den Achseln, die Zunge wurde schwarz und rissig. Wenn sie dann schwarzes Blut erbrachen, war es von jetzt auf nachher vorbei mit ihnen.
Die Kunde vom schwarzen Tod verbreitete sich wie ein Blitz durch die Gassen. Wer irgendwo auswärts Freunde oder Verwandte hatte, verließ mit ein paar wenigen Habseligkeiten die Stadt, die Übrigen verbarrikadierten ihre Türen und Fenster und beteten, dass Gott ihr Haus verschonen möge.
Doch die Seuche war nicht aufzuhalten. Wie ein Geschwür breitete sie sich in der Stadt aus, am heftigsten waren die engen Vorstädte betroffen. Die Schreiner kamen nicht nach mit der Fertigung von Bahren für die Erkrankten und die Toten, die in die eilig ausgehobenen Massengräber gekippt und anschließend mit Kalk überschüttet wurden. Der Handel mit Amuletten und Wundermitteln wie Wieselblut, getrockneten Rabeneiern und Wolfsherzen blühte, in den Häusern der Kranken stank es nach Weihrauch, Moschusäpfeln und Gewürzsträußen, deren Geruch die Pest aus der Stube vertreiben sollte. Trotz Verbots seitens der Kirche tauchten die ersten Geißler auf, barfüßige, zerlumpte Männer und Frauen, die sich den nackten Rücken mit geflochtenen Riemen und Ruten blutig schlugen. «Tut Buße, tut Buße, erniedrigt euch vor dem Herrn», riefen sie in die menschenleeren Straßen.
Der Magistrat trug das Seine dazu bei, die Epidemie einzudämmen. Eilends wurde eine Pestordnung verfasst und vor dem Hauptportal des Münsters verlesen und
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