Die Hexe von Freiburg (German Edition)
helle Zimmer großzügig eingerichtet, denn gebrauchte Möbel waren jetzt, nach der Seuche, überall billig zu haben. Neben dem Bett stand ein Waschtisch mit einer irdenen Schüssel und einem Krug, an der Wand gegenüber Tisch und Stuhl sowie eine Kommode mit vier wuchtigen Schubladen. Sogar eine kleine Abstellkammer gehörte dazu.
Zwar war auch das Schneckenwirtshaus eine einfache Schenke, denn es gab nur einen einzigen großen Gastraum, und die meisten Gäste waren Handwerker und Arbeiter aus der Nachbarschaft, doch Berthold kannte fast alle seine Kunden und hatte sie fest im Griff. Fingen die Raufbolde unter ihnen zu händeln an, packte er sie am Kragen und setzte sie freundlich, aber bestimmt vor die Tür. Wirklich böse wurde er nur, wenn «seine Frauen», wie er sie nannte, unflätig angesprochen oder gar angefasst wurden. Da konnte ihm die Hand ausrutschen. So brauchte sich Catharina denn auch nicht mehr mit Belästigungen herumzuschlagen, selbst wenn es an manchen Abenden, vor allem an Feiertagen, ziemlich derb und laut herging. Einmal saß eine Gruppe Weißgerber aus der nahen Fischerau beisammen. Ihr Wortführer, ein untersetzter Kerl mit roten, rissigen Händen, machte Catharina immer wieder zweideutige Komplimente. Ganz offensichtlich wollte er sich vor den anderen großtun, und da Catharina ihn nicht beachtete, fasste er ihr, als sie ihm frisches Bier brachte, mit seiner dicken Hand unter den Rock. In aller Ruhe goss Catharina ihm den halben Liter Bier in den Schoß.
«Du Hurenbalg», brüllte er, während seine Tischgenossen in Gelächter ausbrachen. «Ich werde mich beim Wirt über dich beschweren.»
Doch Berthold, der die Szene beobachtet hatte, stand längst hinter ihm. Ohne ein Wort zu sagen, drehte er dem Mann den Arm auf den Rücken und stieß ihn hinaus.
Ein einziges Mal nur ging sie in den nächsten Jahren nach Lehen. Es kostete sie große Überwindung, den Hof zu betreten. Moses war halb verrückt vor Freude über das Wiedersehen und ließ sie den ganzen Tag nicht aus den Augen. Von Sofie wurde sie freundlich begrüßt. Sie sah noch zarter und zerbrechlicher aus als bei ihrer letzten Begegnung. An der Hand hatte sie ein kleines Mädchen mit seidigen hellblonden Haaren, das gerade seine ersten Schritte übte. Catharina stellte fest, wie sehr sie die Tatsache, dass Christoph jetzt seine eigene Familie hatte, immer noch schmerzte. Da kam er aus dem Stall und umarmte sie.
«Gut siehst du aus», sagte er und betrachtete verstohlen ihre schlanke Gestalt. «Was für eine schöne Frau du geworden bist.»
Catharina ließ ihn wortlos stehen. Ihr war, als schnürte ihr ein eisernes Mieder die Luft ab. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, half sie bei der Hausarbeit mit, tobte mit Moses und den Zwillingen im Hof herum und stattete Schorsch, der inzwischen verlobt war, einen kurzen Besuch ab. Bis zum Abend wurde ihr klar, dass dies ihr erster und letzter Besuch gewesen war.
Alles in allem hatte Catharina keinen Grund zu klagen. Auch mit Bertholds Frau Mechtild, einer kleinen, drahtigen Person voller Energie, und den anderen Angestellten verstand sie sich gut. Einzig mit der Köchin konnte sie nichts anfangen, und ausgerechnet mit ihr wohnte sie zusammen. Sie war sicher schon über vierzig. Für jede Gelegenheit hatte sie einen Bibelspruch parat, bekreuzigte sich dabei und jammerte über die Gottlosigkeit der Zeit. Catharina hatte sie noch nie lachen sehen und ging ihr möglichst aus dem Weg.
Hin und wieder kam Lene zu Besuch. Zu Catharinas Freude brachte sie meistens Moses mit. Alles, was Christoph betraf, wurde bei ihren Gesprächen sorgfältig ausgeklammert. Wenn Catharina allein war, blätterte sie in den Büchern, die sie vom Vater geerbt hatte, oder ging am Stadtgraben spazieren. Sie fand sich damit ab, dass sie wohl als ledige Schankfrau alt werden würde. Bis der Tag kam, an dem sie Michael Bantzer kennen lernte.
11
Der hoch gewachsene dunkle Mann fiel Catharina sofort auf. Er passte nicht zu den einfachen Leuten, die hier sonst ihr Bier oder ihren Wein tranken. Nach spanischer Mode war er ganz in Schwarz gekleidet: Unter der offenen hüftlangen Schaube sah man ein samtenes Wams mit vorgewölbtem Gänsbauch, auf dem eine schwere silberne Kette funkelte. Zu den pludrigen Hosen, die gerade die Oberschenkel bedeckten, trug er spitze Schnallenschuhe. Selbst die kurz geschnittenen Haare und der sorgfältig gestutzte Spitzbart schimmerten tiefschwarz. Einzig die gestärkte Halskrause war von
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