Die Hexe von Freiburg (German Edition)
großen Schritten auf und ab. Wahrscheinlich rechnete auch er mit einem heißen Tag, denn er war barhäuptig und ohne Überrock. Als sie das Haus verließ, sah sie gerade noch, wie sich ihre Mitbewohnerin im Erdgeschoss die Nase am Fenster platt drückte.
Michael Bantzer legte ihr zur Begrüßung die Hand auf den Arm und lächelte.
«Wohin gehen wir?», fragte er.
«In den Stadtgraben.» Das war ein beliebter Ort für Kinder, Spaziergänger und Verliebte. Der innere Graben war bis auf ein schmales Rinnsal direkt an der Mauer trockengelegt worden, und auf dem saftigen Gras weideten Schafe und Schweine. Catharina konnte sich noch erinnern, dass sie als Kind oft mit ihrem Vater hier gewesen war. Damals gab es noch ein riesiges Gehege mit Rotwild.
Schweigend schlenderten sie durch die Vorstadt bis zum Martinstor. Links davon führte ein steiler Trampelpfad zum Graben hinab. Michael nahm ihre Hand und half ihr hinunter. Als sie weitergingen, ließ er ihre Hand nicht los. Catharina blieb stehen.
«Wenn uns jemand sieht?»
«Sag bloß, es ist dir unangenehm mit mir!», sagte er gespielt entrüstet. Aber er ließ ihre Hand los, und Catharina bereute ihre Bemerkung bereits.
Dort, wo das Rinnsal zu einem breiten Bach gestaut wurde und sich Enten und Haubentaucher drängten, setzten sie sich auf einen lang gestreckten Stein. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und trocknete das morgenfeuchte Gras. Da tauchte eine Gruppe Halbwüchsiger auf. Lärmend und lachend zogen sie sich splitternackt aus und tobten im Wasser herum. Sicherlich Studenten. Ein paar Spaziergänger blieben mit missbilligenden Blicken stehen.
«Stört dich dieser Anblick?», fragte Michael und deutete auf die Jungen.
Catharina lachte verlegen. «Glaubst du, ich bin im Kloster aufgewachsen?» Sie war, ohne es zu merken, zum Du übergegangen.
Michael blieb ernst. «Nein, ich habe nur mitunter den Eindruck, dass dir menschliche Nähe, vor allem von Männern, unangenehm ist.»
«Wie kannst du so etwas sagen, du kennst mich doch kaum.»
«Ich habe dich oft beobachtet.»
Nicht nur seine Blicke, auch seine Fragen und Bemerkungen hatten etwas Bohrendes, und Catharina fühlte sich entblößt. Verärgert stand sie auf und beobachtete, wie sich drei Männer der Stadtwache im Laufschritt den Badenden näherten und lange Holzknüppel schwangen. Bis die Stadtwache heran war, hatten die Burschen längst ihre Kleider gepackt und machten im Davonlaufen ihren Verfolgern eine lange Nase. Catharina musste lachen. Da spürte sie Michaels Lippen auf ihrem Nacken. Als sie sich umdrehte, wich er zurück.
«Lass uns noch ein Stück spazieren gehen, und dann lade ich dich zum Essen ein.»
Sie gingen in den «Roten Bären», von dem Catharina wusste, dass er zu den teuersten Gasthäusern in der Stadt gehörte. Michael schien dort allseits bekannt zu sein und wurde vom Wirt persönlich begrüßt. Catharina hatte keinen Hunger, und obwohl sie selten Gelegenheit zu solch erlesenen Speisen hatte, aß Michael den Lendenbraten in saurer Soße und das gefüllte Brathuhn fast allein.
Als alle Platten und Teller leer waren, wischte er sich den Mund ab.
«Was machen wir jetzt?»
«Ich muss nach Hause und mich umziehen. Ich soll heute noch arbeiten.»
Vor ihrem Haus verabschiedeten sie sich. Er sah sie lange aus seinen dunklen Augen an, bis sie sich verlegen abwandte. Da nahm er ihre Hand.
«Ich kann es nicht glauben», sagte er leise, «immer habe ich von einer blonden Frau mit blauen Augen geträumt, und jetzt bin ich in ein Mädchen vernarrt, das genauso dunkel ist wie ich.»
Catharina glaubte, nicht recht gehört zu haben. Hatte er wirklich vernarrt gesagt? Sie drückte ihm kurz die Hand und eilte ins Haus.
An diesem Abend verrichtete sie ihre Arbeit fahrig und unaufmerksam. Unaufhörlich spukte das Wort ‹vernarrt› in ihrem Kopf herum. Berthold beobachtete sie belustigt, und Catharina fragte sich, ob die Köchin ihm erzählt hatte, mit wem sie den halben Tag zusammen gewesen war.
Am nächsten Sonntag musste Catharina nicht arbeiten. Sie hatte Michael beim letzten Mal gebeten, nicht mehr in der Gaststube aufzutauchen, im Gegenzug musste sie versprechen, sich den ganzen Sonntag für ihn freizuhalten.
Er holte sie zu Hause ab, und in der Tür stieß er mit der Köchin zusammen. Deutlich war ihr die Empörung darüber anzusehen, dass ein Mann so mir nichts, dir nichts in das Haus zweier lediger Frauen eindrang.
«Wohin wollt Ihr?», fragte sie eine Spur zu laut.
«Zu
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