Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Schultern. Die Bäuerin untersuchte sorgfältig ihren Hahn, doch bis auf ein paar ausgerissene Federn hatte das Tier keinen Schaden genommen. Dann sah sie etwas betreten auf.
«Ich hätte es wissen müssen. Dieses Dorf ist berüchtigt für seine Wegelagerer. Auf dem Rückweg nehmt Ihr besser eine andere Straße.»
Sie erklärte den Zwillingen, wie sie auf einem Waldweg das Dorf umfahren konnten.
Eine gute halbe Stunde später zügelte Wilhelm das Pferd, und Carl wandte sich an die Bäuerin. «Nach unserer Wegbeschreibung müsste es hier abgehen – ist das richtig?»
«Ja. Ihr könnt mich absteigen lassen, ich habe es nicht mehr weit.»
Nachdem sich die Frau verabschiedet und überschwänglich bedankt hatte, bogen sie in das enge, dicht bewaldete Seitental ein. Die Berggipfel ringsum waren in graue Wolkenschleier gehüllt. Das Pferd wurde langsamer, denn es ging jetzt spürbar bergauf.
«Besonders freundlich sieht es hier ja nicht aus», murmelte Catharina. Doch bald mündete das Tal in einen weiten, größtenteils gerodeten Kessel. Rechts am Wegrand sahen sie zwei hübsche Gasthäuser aus Fachwerk stehen, links davon die Badeanlagen, an denen ein breiter Bach vorbeiführte. Die Uferwiesen waren voll von Ochsen- und Pferdekarren und einfach gekleideten Menschen, die sich im Freien ihr Mittagsmahl zubereiteten, während im Bach die Kinder tobten. Einige Männer und Frauen wuschen ungeniert ihre entblößten Körper.
Sie hielten vor dem kleineren der beiden Gasthäuser. Sofie kramte in ihrem Beutel nach ihren Papieren. Sie hatte zwei Schreiben dabei: eines von Christoph mit Grüßen von seiner Mutter an den Wirt, den Marthe flüchtig kannte, und eines von ihrem Baderchirurgen, in dem er bestimmte Behandlungsmethoden empfahl. Während Carl das Pferd tränkte und fütterte, ging Wilhelm mit den beiden Frauen hinein.
«So, so, die gute alte Marthe hat sich noch immer nicht zur Ruhe gesetzt», lächelte der Wirt, ein freundlicher kleiner Mann, nachdem er den Brief gelesen hatte. Dann wandte er sich an die Frauen. «Ihr habt Glück: Gerade heute Morgen ist ein Zimmer mit vier Betten frei geworden. Falls noch mehr Gäste kommen, müsst Ihr es allerdings mit anderen Frauen teilen.»
Catharina wunderte sich, dass in diesen Zeiten wirtschaftlicher Not so viele Leute noch das Geld für eine Badekur erübrigen konnten. Als sie den Wirt danach fragte, nickte er.
«Ja, beide Gasthäuser sind voll. Es liegt daran, dass viele, die sonst in die vornehmeren Badeorte ins Elsass oder nach Bad Boll reisen, jetzt hierher kommen. Bei uns ist zwar alles bescheidener, aber dafür auch billiger.»
Er führte sie in ihr Zimmer. Der Raum war einfach eingerichtet, aber sauber und geräumig. Außer den vier Betten befanden sich noch ein Waschtisch und zwei Kommoden darin. Sofie sah aus dem Fenster auf die Berge. Oben am Waldrand ballten sich die Wolken dunkelgrau zusammen.
«Hoffentlich kommt ihr noch trocken zurück», sagte sie zu Carl, der eben eintrat. Sie verabschiedeten sich eilig. Als die Zwillinge gegangen waren, setzte Catharina sich auf ihr Bett und bat Sofie um das Schreiben des Baderchirurgen. Sofie wusste zwar ungefähr, was darin stand, aber da sie nicht lesen konnte, musste Catharina ihr laut vorlesen.
«Täglich je ein heißes Wannenbad und ein Schwefelbad. Täglich einmal Schröpfköpfe oder Blutegel setzen, einmal Purgieren.» Catharina sah auf. «Was ist denn Purgieren?», fragte sie.
«Da wird dir irgendwas eingegeben, bis du dir die Seele aus dem Leib würgst. Oder sie machen einen Einlauf.»
«Brrr», Catharina schüttelte sich. Dann las sie weiter.
«Purgieren und Schröpfen empfehlen sich bei abnehmendem Mond. Kräftiges Essen, dabei Fleisch und Wein nur mäßig. Vor jeder Mahlzeit fünf Gläser Wasser trinken. Viel Bewegung an der frischen Luft.»
Catharina legte das Blatt weg. «Da bin ich ja heilfroh, dass ich hier machen kann, was ich will.»
Nach dem Mittagessen in dem riesigen überfüllten Speisesaal machten sie einen Rundgang über das Gelände. Das Hauptbad, das schon aus der Ferne nach Schwefel roch, war etwa dreißig Schritt lang und fünfzehn Schritt breit. An den Längsseiten befanden sich unter dem grünlichen Wasserspiegel Sitzplätze, die durch Schranken getrennt waren. Eine hölzerne Laube über der Sitzreihe schützte vor Regen und Sonne. An drei Seiten des Bads zogen sich breite Steinstufen zum Ausruhen den Hang hinauf. Jetzt zur Mittagszeit lagen nur ein knappes Dutzend Gäste im
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