Die Hexe von Freiburg (German Edition)
verstohlen die Tränen weg und versuchte zu lächeln. «Ist schon gut. Ich bin im Moment einfach ein bisschen schwach. Wahrscheinlich war ich in letzter Zeit zu wenig an der frischen Luft. Wie geht es Lene und ihrem kleinen Buben?»
«Gut. Stell dir vor, sie kommen diesen Sommer zu Besuch. Wir haben den Kleinen ja auch erst einmal gesehen, letztes Jahr. Da konnte er noch nicht einmal krabbeln.»
«Wie schön, dass sie kommt. Ich habe sie schon so lange nicht mehr gesehen. Wo ist eigentlich Sofie?»
Marthe zögerte und warf einen kurzen Blick auf ihren Sohn. «Der harte Winter hat sie ziemlich mitgenommen. Sie hat jetzt öfter so ein Schwächegefühl in den Beinen und muss dann im Bett bleiben. Geh doch nachher hinauf zu ihr, sie freut sich bestimmt.»
Sofie lag mit geschlossenen Augen im Bett, als Catharina eintrat. Ihre Tochter hockte auf den Dielen und spielte mit einer Stoffpuppe.
«Ich freue mich, dass du wieder einmal hier bist», sagte sie und richtete sich vorsichtig auf. «Habt ihr den Winter gut überstanden?»
«Mehr oder weniger. Das Geschäft läuft nicht mehr so gut, aber sonst ist alles in Ordnung.» Catharina hätte ihr gern mehr Einzelheiten erzählt, von ihrer Ehe, von Benedikt, vielleicht sogar von ihrer Schwangerschaft, aber sie war so erschrocken über Sofies Gebrechlichkeit, dass sie diese Gedanken von sich schob.
Sofie blickte zu ihrer Tochter.
«Mein kleiner Schatz, gehst du bitte hinunter und schaust ein wenig nach deinem Bruder?»
Das Mädchen nickte gehorsam, klemmte ihre Puppe unter den Arm und ging hinaus. Sofie sah ihr nach.
«Sie ist schon so verständig.» Sie ließ sich wieder auf ihr Kissen sinken. «Cathi, ich spüre, dass es jetzt bald so weit ist. Christoph glaubt immer noch, dass ich wieder gesund werde, aber ich weiß jetzt, dass ich es nicht schaffe.»
Catharina nahm ihre Hand. «Wie willst du das wissen, Sofie? Du darfst dich nicht einfach aufgeben.»
«Das hat nichts mit Aufgeben zu tun. Es ist nur sinnlos, sich gegen etwas zu wehren, was unausweichlich ist. Cathi, ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich fühle jetzt schon einen großen Frieden in mir, und ich gehe gern. Aber ich mache mir Sorgen um Christoph und Marthe. Ich hatte schon einige Male einen bösen Traum, in dem Marthe verunglückte.»
Catharina bat sie, von diesem Traum zu erzählen, doch Sofie winkte ab. «Lass uns über schönere Dinge reden. Erzähl mir von dir – wie geht’s zu Hause, was machst du den ganzen Tag?»
Ach, Sofie, dachte Catharina, wenn du wüsstest, was ich zu berichten habe. Sie gab ein paar Schwänke von Barbara zum Besten und brachte Sofie damit sogar zum Lachen. Nach einer Stunde merkte sie, wie die kranke Frau, die blass und ausgemergelt im Bett lag, wieder müde wurde, und sie verabschiedeten sich.
Traurig und niedergeschlagen ging sie zu ihrer Tante in die Küche. Traurig wegen Sofie und niedergeschlagen, weil sie sich jetzt auf den Weg zu Gysel machen musste.
«Ich mache eben nochmal einen Spaziergang, Tante Marthe, und schau bei unserem Schäfer vorbei.»
«Eine gute Idee. Frag ihn doch dann, ob er bald wieder junge Hunde hat. Warte, ich hole Christoph, er hat sicher Lust mitzukommen. Er braucht auch ein bisschen Abwechslung.»
Catharina schüttelte heftig den Kopf. «Nein, lass nur, ich möchte lieber allein sein.»
Marthe sah sie an. «Ist mit dir wirklich alles in Ordnung?»
«Ja natürlich. Ich bin rechtzeitig zum Essen zurück.»
Dabei hatte sie keine Ahnung, was sie bei der alten Gysel erwarten würde. Eilig durchquerte sie das Dorf, ohne nach rechts und links zu schauen. Von St. Cyriak läutete die Kirchturmuhr zu Mittag. Sie bog in den von Brombeerhecken gesäumten Pfad unterhalb des Lehener Bergles ein. Dort oben hatte sie mit Christoph gesessen, als sie nach dem entlaufenen Ziegenbock suchen sollten. Jede Einzelheit jenes Nachmittags kam ihr plötzlich in den Sinn. Wie kindlich waren sie beide noch gewesen!
Sie verlangsamte ihre Schritte, als sie sich dem Häuschen am Waldrand näherte. Sie hätte nie gedacht, dass sie diesen Weg noch einmal würde gehen müssen. Und dieses Mal hatte sie keine Lene dabei, die ihr Mut machte. Beklommen klopfte sie an die Haustür. Als sich nichts rührte, klopfte sie stärker. Da kam eine Frau, ein wenig jünger als Marthe, durch den Garten auf sie zu und sah sie misstrauisch an.
«Wen sucht Ihr?»
«Ich möchte zu Gysel.»
«Das bin ich.»
Catharina schaute sie verwirrt an. «Das kann nicht sein. Die Frau, die ich
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