Die Hexenfalle
meinen Füßen.
Während ich suchend um mich
blickte, stieg mir dumpfiger Schilfgeruch in die Nase. Etwa dreißig Meter zu
meiner Rechten entdeckte ich das flackernde Licht, bereits viel näher am See,
als ich vermutet hatte. Ich wollte darauf losstürzen, kam jedoch schon nach den
ersten fünf Sätzen auf einem halb verrotteten Ast ins Rutschen und landete der
Länge lang in dem eklig stinkenden Schleim, der die Wurzeln des Schilfrohrs
bedeckte. Bis ich mich wieder hochgerappelt und auf festen Grund
zurückgearbeitet hatte, war das Licht bereits bis zum Ufer vorgedrungen. Und
bewegte sich immer weiter hinaus.
Ich preschte los wie ein
Wahnsinniger und erkannte im Näherkommen, daß das Licht von einer altmodischen
Sturmlaterne herrührte. Die Gestalt, die sie trug, war nur eine vage
Silhouette, aber ich wußte, um wen es sich handelte.
»Elaine !« schrie ich. »Warten Sie !«
Sie ging unbeirrt weiter durchs
Schilf in das tiefer werdende Wasser hinein. Als ich das Ufer erreicht hatte,
war sie bereits bis zur Hüfte verschwunden. Der Grund des Sees mußte an dieser
Stelle abschüssig sein, denn die Laterne fiel ihr aus der Hand und verlosch.
Ich watete durch das Schilf, bis ich etwa einen Meter tief im Wasser stand, und
begann dann zu schwimmen. Wenige Meter vor mir kam ihr Kopf kurz an die
Oberfläche, bis ich die Stelle erreicht hatte, war er jedoch wieder
verschwunden. Ich tauchte in das eiskalte schwarze Wasser und tastete wild um
mich, bis ich endlich eine Handvoll dünnen Stoff zu fassen bekam. Meine andere
Hand fand Elaines Arm und zog sie empor, so daß wir gemeinsam an die Oberfläche
kamen. Sie wehrte sich heftig und versuchte, meinem Griff zu entkommen.
»Ganz ruhig, Elaine«, gurgelte
ich. »Jetzt ist ja alles in Ordnung .«
»Lassen Sie mich !« wimmerte sie. »Können Sie sie denn nicht hören? Sarah
ruft mich, ich soll zu ihr kommen !«
Wir rangen sekundenlang
miteinander, dann traf ihr Fuß gegen meine Brust und stieß mich weg. Sie sank
fast augenblicklich. Ich machte einen verzweifelten Hechtsprung und bekam sie
an den Haaren zu fassen. Als ich ihren Kopf diesmal emporzog, versetzte ich ihr
einen kräftigen Kinnhaken. Sie erschlaffte, und ich konnte sie ans Ufer ziehen.
Als ich sie durch das Schilf trug, erkannte ich in fast allen Fenstern von Waters Meet Licht. Der Strahl einer Taschenlampe bewegte
sich in Richtung auf den See herunter.
Tante Emmas aufgeregte Fragen
blieben überwiegend unbeantwortet, hauptsächlich weil ich nicht genügend Luft
hatte, um auch noch zu reden. Im Haus angekommen, legte ich Elaine auf eine
Couch und bat Tante Emma, ein paar Decken zu holen. Während ihrer Abwesenheit
hatte ich Zeit, Atem zu schöpfen und Elaine ausgiebig zu betrachten. Sie lag
friedlich atmend vor mir, das feuchte rosa Haar mit grünlichem Schlamm
durchsetzt. Das Nylonnachthemd klebte an ihrem Körper und gab freizügig
sämtliche Konturen preis, was sie rührend und wehrlos wie ein Kind machte.
Tante Emma kam zurückgeeilt,
die Arme voller Decken. Sie trug einen altmodischen Mackintosh ,
der ihr bis zu den Waden reichte. Darunter sah der gestickte Saum ihres
Flanellnachthemdes hervor. Den Abschluß bildeten Gartenstiefel. Sie warf mir
eine Decke zu und ging dann zur Couch hinüber, um Elaine behutsam in die
übrigen Decken zu wickeln.
»Sie sollten einen Schnaps
trinken, junger Mann«, sagte sie energisch. »Und dann können Sie mir vielleicht
verraten, was das alles zu bedeuten hat .«
Ich legte mir die Decke um die
Schultern und trat an den Flaschenständer, um mir einen Bourbon einzuschenken.
»Nun ?« drängte Tante Emma.
»Als ich von Wendovers Party zurückkam, sah ich, wie sich ein Licht von Waters Meet zum See hinunter bewegte«, berichtete ich.
»Ich weiß selbst nicht, warum«, ich zuckte die Schultern, »aber eine Art
innerer Stimme sagte mir, ich müsse das Licht aufhalten, bevor es den See
erreichte. Bis ich zum Ufer kam, war Elaine schon im Wasser, also sprang ich
hinterher und zog sie heraus. Unglücklicherweise wehrte sie sich so heftig, daß
ich sie bewußtlos schlagen mußte .«
»Daran haben Sie recht getan .« Die scharfen blauen Augen musterten mich gespannt. »Hat
sie irgend etwas gesagt ?«
»Ich solle sie loslassen. Sarah
habe sie zu sich gerufen, ob ich das denn nicht auch gehört hätte .«
» Malum secutum «, flüsterte die alte Dame. »Irgendwie müssen sie von meinen Absichten mit Elaine
und Ihnen gewußt und beschlossen haben, wenn sie die Jungfrau nicht
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