Die Hexenfalle
lag, drückte sie zu Boden und hielt ihr dabei den Mund
zu. Elaine stand vor den beiden, und sie war es auch, die sich als erste von
dem Schock der unerwarteten Helligkeit erholte. Sie hob den Arm, so daß ich das
Aufblitzen des langen Messers sehen konnte, das sie in der Hand hielt.
»Es
ist doch nur Tante Emma, du Idiot !« herrschte sie
Steve Engsted an. Sie hob das Messer noch höher und stach sich mit vorsichtiger
Behutsamkeit genau unter dem linken Schlüsselbein zweimal in die Brust. Dann
betrachtete sie mit äußerster Befriedigung das hervorquellende Blut, das über
ihre Brust hinabrann und das dünne Nachthemd näßte. Schließlich warf sie den
Kopf zurück und schrie noch einmal.
»Hilfe!
Sie bringt mich um! Helft mir doch .« Das Versagen
ihrer Stimme war eine reife künstlerische Leistung, doch ich war im Moment
nicht in der Stimmung, sie zu würdigen.
Elaine
machte zwei Schritte auf Engsted zu und drückte ihm das Messer in die freie
Hand. »Tu’s jetzt«, sagte sie. »Schnell !«
»Ja!«
Hinter dem Strahl der Taschenlampe hervor hatte Tante Emmas körperlose Stimme
etwas merkwürdig Getragenes. »Ja, tötet die Hexe !« Es
klang wie ein ritueller Gesang. »Tötet die Hexe! — Zerstört den Fluch! — Tötet
die Hexe! — Zerstört den...«
Engsted
zögerte sekundenlang und hob dann das Messer über den Kopf. Sein Zögern gab mir
Zeit, die letzten vier Meter zurückzulegen, die uns noch trennten. Ich packte
mit beiden Händen zu und drehte sein Handgelenk heftig herum. Er schrie auf vor
Schmerz und ließ das Messer los, dann erschlaffte sein Arm. In dem Augenblick,
als er das Messer fallen ließ, hatte ich mich mit den Absätzen fest in den
Erdboden gestemmt und mein ganzes Körpergewicht benutzt, um ihn von Iris
wegzuzerren. Nun brachte mich der mangelnde Widerstand rettungslos aus dem
Gleichgewicht. Ich kippte hintüber in das Unterholz und verfing mich im Geäst.
Engsted ließ Iris los, versetzte ihr einen so kräftigen Stoß, daß sie vorwärts
auf die Erde fiel, zog dann eine Pistole aus der Manteltasche und zielte auf
mich. »Stehen Sie auf !« stieß er hervor.
Ich
kämpfte mich aus dem Gestrüpp und rappelte mich unbeholfen hoch. Wir waren
höchstens einen Meter voneinander entfernt, und er konnte mich kaum verfehlen,
selbst wenn er beim Abdrücken die Augen schloß.
»Sie
blöder Hammel, Baker !« sagte er gepreßt. »Wozu mußten
Sie hierher kommen und sich umbringen lassen ?«
»Ich
habe darüber nachgedacht«, erwiderte ich schnell, »was Sie gemacht hätten, wenn
ich heute nachmittag bereit gewesen wäre, mit Ihnen
nach Hause zu fahren und dann gemeinsam mit Ihnen zum See zu schleichen .«
»Ich
war einigermaßen überzeugt, daß nicht einmal Sie so töricht sein würden«, sagte
er höhnisch. »Aber auch wenn Sie nicht von selber darauf gekommen wären, daß
wir wissen mußten, ob Elaine nicht vielleicht an einen anderen Ort gebracht
werden sollte, wäre mir dies Argument bestimmt vor unserer Abfahrt
eingefallen.«
»Der
Anruf mitten in der Nacht, das Klingelzeichen, das Elaine angeblich zum See
befahl — das waren Sie, um Elaine mitzuteilen, daß ich mich auf dem Weg befand,
damit sie ihren Zeitplan darauf abstimmen konnte?«
»Wären
Sie mit Iris zurückgefahren, hätte sich alles etwas später abgespielt«, sagte
er mit teilnahmsloser Stimme. »Elaine hätte dann ein bißchen geschrien, damit
Sie auch bestimmt aufgewacht wären .«
»Steh
da nicht herum und halte Reden !« fuhr ihn Elaine an.
»Erledige lieber deine Arbeit !«
»Das
hat jetzt keine Eile«, erwiderte Engsted verdrossen. »Hier ist im Umkreis von
einer Meile keine Menschenseele .«
»Außer
Mrs. Robins«, zischte sie. »Selbst wenn sie im Haus bleibt, müssen wir
innerhalb einer gewissen Frist zurückkommen, nachdem ich so geschrien habe .«
Engsted
benutzte seine freie Hand, um sich die glänzende Stirn zu reiben. »Es besteht
kein Grund zur Panik, Liebes .« Seine Stimme hatte den
vorwurfsvollen Tonfall eines Lehrers, der seinen Schüler korrigiert. »Ein
Fehler wäre jetzt fatal .«
»Die
ganzen Wochenendfahrten nach Manhattan«, sagte ich, »waren also nur dazu
bestimmt, jemanden wie mich zu finden? Sie brauchten einen neutralen Zeugen.
Elaine wäre von Anfang an die Hauptverdächtige gewesen, weil sie nach dem Tod
ihrer Schwester das ganze Geld erbt .«
»Sie
schalten wirklich erstaunlich schnell, Larry«, höhnte Engsted. »Natürlich
brauchten wir einen neutralen Zeugen. Sie waren ein Geschenk
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