Die Hexengabe: Roman (German Edition)
Fetzen zerfiel. Die Mannschaft applaudierte ihm grölend.
»Halte still, und lass mich das machen!«, flüsterte Wolfhardt Rosa zu, die immer noch wie erstarrt war.
Er wickelte behutsam den Schal von ihrer Brust.
Rosa schloss die Augen, hörte aber, wie einige der Männer nach Luft schnappten. Sie legte die Hände vor die Brust und wünschte sich, sie wäre tot.
»Das reicht doch wohl, oder?«, unterbrach der Missionar jetzt mit donnernder Stimme das stumme Glotzen seiner Geschlechtsgenossen.
»Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Wir wollen ganz sichergehen, dass dieses Weib kein männliches Glied hat.« Es schien dem Steuermann richtig zu gefallen, seine Blicke über Rosas Körper gleiten lassen zu können.
Rosa wurde unter dem Johlen der Männer dazu gezwungen, auch aus ihrer Hose zu steigen und aus ihrer Leibwäsche, bis sie nackt vor den Männern stand. Sie zitterte am ganzen Leib und wünschte sie alle zur Hölle.
Wolfhardt meinte nach einem kurzen Blick auf Rosas Scham trocken: »Ich, als Arzt, kann beim besten Willen nichts auch nur entfernt Männliches entdecken.«
Die Offiziere lachten, die Matrosen murmelten aufgeregt.
Rosa fühlte sich einer Ohnmacht nahe, alles drehte sich vor ihren Augen, als wäre der Sturm zurück.
»Die Handschuhe, die Handschuhe müssen auch noch runter!«, bellte der Profos.
»Wozu denn das jetzt noch?«, fragte der Missionar. »Glaubt Ihr etwa, sie hat dort ihr Glied versteckt?«
Jetzt grölten alle vor Lachen, was den Profos dazu trieb, ihr selbst die Handschuhe runterzureißen. Rosa, die mit ihren Armen ihren nackten Leib bedeckte, versuchte verzweifelt, sich zu wehren, ohne sich zu entblößen, aber man ersparte ihr nicht einmal das. In ihr loderte Hass, und Scham schien sie von innen zu verbrennen. Als es der Profos geschafft hatte, die Handschuhe abzuziehen, sackte sie in sich zusammen.
»Was …« Der Profos schlug entsetzt die Hand vor den Mund. »Aber das ist ein Hexenfinger! Seht doch her, seht her, das Weib ist eine Hexe. Und jetzt frage ich euch, wie kann ein Mann der Kirche mit einer Hexe Unzucht treiben? Er muss der Teufel selbst sein. Also war das, was ich gesehen habe, Teufelswerk.«
Stille breitete sich aus. Wolfhardt rüttelte Rosa, damit sie zu Bewusstsein kam, reichte ihr sein Hemd und ihre Hose, doch sie wollte nicht aufstehen. Wozu noch, man hatte ihr alles genommen.
Schließlich zog ihr Wolfhardt sein Hemd an und zwang sie, ihre Hose hochzuziehen, dann reichte er ihr die Handschuhe und half ihr, sie anzulegen.
»Euer Profos ist verrückt! Erst will er deutlich gesehen haben, wie diese junge Frau ihr aufrechtes Geschlechtsteil in mich bohrt, und jetzt, wo sie gar keines hat, soll sie eine Hexe sein. Das schmeckt mir sehr nach übler Nachrede!« Die Stimme des Missionars bebte vor unterdrücktem Zorn.
»Der Missionar hat recht. Wir wollen doch hier nicht von Hexen und Teufeln reden. Wir haben eine Frau beim Lügen erwischt, das ist nichts wirklich Neues, oder?«, stimmte ihm Wolfhardt zu.
Die Offiziere grinsten sich an. »Da hat er recht.«
»Der Vollständigkeit halber und fürs Protokoll müssen wir jetzt noch wissen, wie dein wahrer Name lautet.«
Rosa konnte nichts sagen, und sie wollte nichts sagen. Wer sie war? Was für ein Witz. Sie war nur eine Frau, ein Nichts mit einem Hexenfinger.
»Sie wird schon noch reden!«, donnerte der Profos und sorgte dafür, dass sie in Ketten gelegt und mit dem Missionar zusammen in die Kajüte von Wolfhardt gesperrt wurde, während man draußen weiter über ihr Schicksal debattierte.
»Das hättest du nicht tun dürfen.« Der Missionar schüttelte den Kopf.
Rosa antwortete nicht. Wie hätte sie wissen können, dass diese Männer so grausam sein würden? Wie hätte sie ahnen können, dass die Wahrheit nicht genug war, ja alles noch schlimmer machte? Rosa lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schloss ihre Augen. »Mir ist so übel.«
»Das wundert mich nicht. Die Tür hat dich gestern ordentlich erwischt, und diese Schweine haben das Ihrige dazu getan.«
Wolfhardt kam herein und erzählte ihnen, was draußen vor sich ging. Der Profos hetze die ganze Mannschaft auf. Behauptete, die langen Flauten, der Taifun, der Mastbruch, der den Kapitän verletzt hatte, das alles sei Rosas Schuld, die Schuld der verkleideten Hexe. Auch, dass nahezu alles verschimmelt und nichts mehr zu essen da sei.
Immerhin hatte der Erste Steuermann befohlen, dass jetzt, wo die Amalberga endlich wieder volle
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