Die Hexengabe: Roman (German Edition)
braucht man zweitausendfünfhundert Dukaten, und Botschafter muss man für drei Jahre bleiben! Dabei ist Papa in den Bergen von Banditen total ausgeraubt worden, und Mama will ihm kein Geld geben, weil er nicht gut genug auf Giacomo aufgepasst hat.«
Während Paolo pausenlos vor sich hin plapperte, folgte ihm Rosa, ohne sich um die erstaunten Blicke der Diener im Haus zu scheren.
Innen wirkte der Palast unfassbar riesig. Rosa hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so weitläufige Räume gesehen. Die Wände und die Decke waren mit Gemälden und goldenen Blättern und Blüten bedeckt, an einer Wand prangte eine römische Frauen-Gottheit aus purem Gold, die mindestens zweimal so hoch und so breit war wie Rosa. Daneben befand sich eine Treppe aus rosa Marmor, die so breit war wie das ganze Haus ihrer Eltern in Nürnberg.
Paolo schritt die Stufen nach oben, und Rosa wunderte sich langsam, dass niemand sie aufhielt oder fragte, wer sie sei. Anscheinend genügte es, wenn dieser Knabe sich ihrer annahm.
Endlich gelangten sie an eine kleine Tür.
»Hier schläft Mama tagsüber, wenn sie erschöpft ist. Ich gehe vor und sehe nach, ob sie Euch empfangen kann.« Paolo verbeugte sich vor Rosa und klopfte an die weiß lackierte Tür, die mit zarten gemalten Blumenranken verziert war.
Drinnen hörte sie eine scharfe Stimme, die deutlich von der sanften des Jungen zu unterscheiden war.
Schließlich wurde die Tür aufgerissen, und Rosa zuckte unwillkürlich zurück, denn vor ihr stand die unansehnlichste Frau, die sie jemals gesehen hatte.
Mund und Nase lagen viel zu eng beieinander, beinahe als hätte ein Gigant dieses Gesicht zusammengequetscht. Es wirkte wie eine Schweineschnauze, über der die hellbraunen Augäpfel weit aus den Augenhöhlen hervorquollen. Das prächtige Gewand der Frau lenkte davon nicht ab, sondern unterstrich noch ihre Hässlichkeit. Sie trug ein Mantelkleid, das vorne offen war, der Stoff bauschte sich üppig über zahlreiche Unterkleider, die Ärmel bestanden aus übereinanderfallenden Spitzenkaskaden, die von seidenen Bändern und Schleifen gehalten wurden. Dabei war der kleine Kragen aus Spitze das einzig Helle an diesem Kleid, das in so dunklem Purpur gefärbt war, dass Rosa es auf den ersten Blick für Schwarz gehalten hatte.
»Mortacci tuoi!«, kreischte sie und entblößte dabei die wenigen Zähne. »Giacomo, mio …«
»Mamma!« Paolo zupfte an dem raschelnden Stoff. Er flüsterte ihr ein paar Worte zu, die Rosa nicht verstand, dann zog er Rosa mit sich ins Zimmer hinein.
Beklommen blickte sich Rosa in dem Raum um, dessen Wände mit grünseidener Tapete bespannt waren, die oben und unten von breiten, vergoldeten Stuckleisten eingefasst wurde. An diesen Wänden hingen große goldgerahmte Gemälde, auf denen nur nackte Frauen zu sehen waren, im Bade, im Bett, bei der Toilette.
Über dem Kamin aus weißem und schwarzem Marmor befand sich ein gewaltiger Spiegel, wiederum goldgerahmt. Die Stühle waren mit dem gleichen grünen Stoff bezogen wie die Wände und das Holz golden lackiert. Jeder einzelne der vier Stühle hätte leicht zwei Menschen Platz geboten. Sie waren um einen runden Tisch gruppiert, dessen Oberfläche aus einem türkis schimmernden Mosaik bestand, das eine Elefantenjagd darstellte. Die Tischplatte stand auf vier Stoßzähnen, in die merkwürdige Zeichen geschnitzt waren. Über dem Tisch hing ein Lüster, groß wie ein Mühlenrad, dessen Kristallanhänger das wenige Licht des dämmernden Abends einfingen und in glitzernde Reflexe verwandelten.
Unter dem Fenster, das mit roten Samtdraperien geschmückt war, befand sich ein Ruhebett mit einer Kopfstütze, auf dem die Mutter des Knaben offensichtlich gerade gelegen hatte.
Rosa fragte sich, wie Caterina es ertrug, an diesem Spiegel vorbeizugehen und sich selbst zu sehen. Würde man sich nicht unwillkürlich mit all den Schönheiten auf den Gemälden vergleichen?
Paolo führte seine Mutter zu dem Bett, dann bot er Rosa einen Stuhl an. Sich selbst holte er einen der dick gepolsterten Schemel, die an der Wand unter den Bildern standen, und setzte sich zu Rosas Füßen.
»Meine Mutter möchte, dass Ihr Eure Haube abnehmt.«
Rosa war sich nicht sicher, ob sie das richtig verstanden hatte.
Der Knabe nickte und presste dabei bestätigend seine Lippen zusammen.
Rosa nahm die Haube ab, fragte sich, was das mit Giacomo zu tun haben sollte.
Die hässliche Frau klatschte begeistert in ihre mit Ringen reich geschmückten Hände, ein
Weitere Kostenlose Bücher