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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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zerrten sie Rosa zur Tür, und schließlich stießen sie sie ganz hinaus, mit so viel Schwung, dass Rosa beinahe in den Canal Grande gefallen wäre, der direkt vor der Tür vorbeiführte.
    »Porca Madonna miseria!« Rosa fluchte, so laut sie konnte. Wut schäumte durch ihre Adern wie kochende Milch. So leicht würden die sie nicht los. Sie stürmte um den Palast herum zur Straßenseite und hämmerte dort laut rufend gegen die Tür, so fest sie konnte. »Mein Geld, ich verlange mein Geld, auf der Stelle!«, schrie sie immer und immer wieder. Und weil sie so wütend war, hallte ihre Stimme durch das ganze Viertel.
    Da, ein Fenster in den oberen Etagen öffnete sich. Rosa sah hoch, glaubte für einen Moment, die Contessa hätte es sich anders überlegt. Doch da klatschte Flüssigkeit auf ihren nackten Schädel, und so wie es stank, war es kein Wasser und auch kein Bier, sondern Urin.
    Blanker Hass wallte durch ihren Körper. Wenn sie doch nur eine Granate gehabt hätte oder eine Kanone, sie hätte den Palast in Schutt und Asche gelegt, auf der Stelle.
    Stattdessen taumelte sie zum Kanal. Selbst das Brackwasser im Canal Grande war besser als das, was man über sie gekippt hatte.
    Sie kniete sich an die Mole und schöpfte sich Wasser über den Kopf.
    Plötzlich sah sie im Augenwinkel eine Bewegung, drehte den Kopf und entdeckte eine Gondel, die sich beinahe geräuschlos genähert hatte. Rosa sprang auf – niemand sollte sie so sehen! – und suchte Schutz an der nächsten Mauerecke.
    Die Gondel legte an der Mole des Palastes an, Stimmengewirr, dann rannte ein Diener mit einer Fackel herbei. Neugierig lugte Rosa um die Ecke.
    Als Erster stieg Baldessarini aus, den sie sofort an seiner gedrungenen Gestalt und den prächtigen Kleidern erkannte. Doch ihm folgte noch jemand, und wenn der Diener ihm nicht ins Gesicht geleuchtet hätte, dann hätte sie den Mann niemals erkannt. Dieses Kinn mit der Einkerbung und dem herzförmig geschwungenen Mund. Doch hier trug er kein Priestergewand, sondern einen prächtigen Umhang aus silbern schimmernder Seide über Kniehosen und weißen Strümpfen. Seine Schnallenschuhe blitzten im Dunkel bei jedem Schritt auf. Neben Baldessarini sah er aus wie ein Hüne.
    Was hatte der Priester hier zu suchen, ausgerechnet mit diesem »Ehrenmann« Baldessarini, und warum war er kein Priester mehr?
    Die beiden sprachen kurz miteinander und schüttelten sich dann die Hände wie alte Freunde. Baldessarini ging von der Mole direkt zum Palast, der Priester stieg wieder in das Boot ein. Der Gondoliere legte sofort ab, die Gondel entfernte sich schnell und verschmolz mit der Dunkelheit.
    Diese miesen venezianischen Lumpen, dachte Rosa und hasste sie von ganzem Herzen. Die skrupellose Contessa hatte genau den richtigen Halunken geheiratet.
    Noch wärmte unbändiger Zorn Rosas Herz, doch ihr Kopf war nass und fühlte sich schon so kalt an, als hätte man ihn mit Eisumschlägen umwickelt. Sie stank und musste irgendwie diese Nacht überstehen. Sie zitterte jetzt am ganzen Körper, ihre Kleider waren feucht, und von den Kanälen stieg zusätzlich klamme Nässe auf.
    Sie würde zum Fondaco dei Tedeschi zurückgehen und dort … dort … dort … was denn dort? Rosa seufzte, so wie sie aussah und roch, würde sich kein Mensch ihrer annehmen. Trotzdem, das war der einzige Ort, wo sie wenigstens sicher sein konnte, jemanden zu finden, der Deutsch sprechen konnte.
    Sie versuchte, sich zu erinnern, von wo sie gekommen war, und lief die Gasse in diese Richtung.
    Das Kopfsteinpflaster drückte sich unangenehm durch die ledernen Sohlen ihrer Goldbrokatschuhe. Ständig trat sie in weichen Unrat, und es erforderte große Mühe, das Ausrutschen zu verhindern. Immer wieder musste sie sich an den eng beieinander stehenden Häusern abstützen, um nicht zu fallen.
    Katzen strichen um ihre Beine und maunzten kläglich. So fühle ich mich, dachte Rosa, genau so, allein, verlassen und hungrig. Die Gasse mündete in einen Platz.
    Dort musste es ein. Sie sah sich um.
    Aber das hier war auf keinen Fall der Fondaco dei Tedeschi. Die Häuser waren viel kleiner und standen gedrängter als die neben dem Fondaco.
    Dann werde ich diesmal rechts weitergehen, überlegte Rosa und landete schließlich in einer Sackgasse.
    Sie lief wieder zurück bis zu dem Platz, aber merkwürdigerweise stand dort auf einmal ein kleiner Neptunbrunnen in der Mitte. War das wirklich der gleiche Platz?
    Rosa war erschöpft, ihr Bauch ein schmerzender, leerer Sack,

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