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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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er hatte unrecht. Ja, hier spiegelte eins das andere, aber das machte die Stadt nur zu einer Stein gewordenen Täuschung, einer schimmernden Lüge. Und sie war nicht nur deshalb froh, Venedig endlich zu verlassen.

26. Kapitel
     
    B eshir hat mir heute eine neue Sklavin zugeteilt. Das war kein Grund zur Freude, denn seit wir hier angekommen sind, hatte er jede Gelegenheit genutzt, mir zu schaden. Obwohl er mittlerweile zum obersten Haremswächter aufgestiegen war, es ihm also viel besser ging als bei Aurangzeb, schien er mich zu hassen.
    Er reagierte auf all meine Fragen nur mit Schweigen und sprach nur dann, wenn es unbedingt nötig war. Je mehr ich in ihn drang, desto stummer wurde er.
    Seit zwölf Monden ging das nun schon so. Und seit zwölf Monden kämpfte Khan Ammar unablässig mit Aurangzeb. Ich aber kämpfte nicht mehr.
    Nachdem Ammar mich in seinen Harem nach Orukal gebracht und seinen Frauen und Favoritinnen vorgestellt hatte, versuchte ich, es mir diesmal leichter zu machen. Ich wurde zu einer lächelnden, ab und zu sogar kichernden, allseits gut gelaunten Haremsdame, die, wann immer es jemand wollte, ihre Duduk herausholte und spielte. Eine gute Fassade, hinter der ich unablässig darüber nachdachte, wie ich entkommen könnte.
    Ammar war es offensichtlich entgangen, dass ich früher nur eine Sklavin gewesen war, und so war ich als Konkubine und Musikerin eingeführt worden und hatte damit eine viel stärkere Position als in Aurangzebs Harem, vor allem, nachdem ich eine Zeit lang als neue Favoritin galt.
    Ich lebte hier nun nicht mehr mit über dreitausend Frauen zusammengepfercht, sondern nur noch mit etwa hundert Frauen, was zur Folge hatte, dass sich alle noch besser kannten und es nahezu unmöglich war, sich zurückzuziehen, obwohl jede Frau einen eigenen winzigen Palast ihr Eigen nennen durfte. Khan Ammar Bahadur Karim hatte den Ehrgeiz, eine Frau jeder Nationalität in seinem Harem zu haben, trotzdem lernten alle schnell, sich miteinander zu verständigen. Und so strömten sie auch ohne Unterlass und ohne Einladung in mein kleines Reich, das wie der gesamte Palast in Orukal von Khan Ammar selbst entworfen worden war. Man merkte ihm zwar an, dass er sich mehr für Kunst und Musik interessierte als für die Kriegsführung, aber für mich war es trotzdem ein Gefängnis. Auch wenn es mein bisher schönstes war.
    Zu meinem kleinen Palast gehörte sogar ein eigener Garten, abgetrennt nur durch ein luftiges Gitter aus Elfenbein, das aus Tausenden geschnitzter kleiner Lotusblumen bestand.
    Eigentlich gehörte dieses Refugium mir ganz allein, doch es kamen ständig Besucherinnen und störten die friedliche Stille.
    Meist saß ich am Brunnen, der in der Mitte des Gartens sein Wasser in ein blau gefliestes Becken ergoss, in dem echter Lotus wuchs. Dort, umgeben von grünen Hecken, Orangen- und Zitronenbäumchen, genoss ich den betäubenden Duft der Früchte und der rosa Blumen, die sich an hellblau gestrichenen Gittern emporrankten und in Blütenkaskaden auf die Terrasse aus weißem Marmor herabfielen.
    Mein Reich war üppig ausgestattet mit bestickten Kashmiri-Kissen, Decken und Teppichen, die das Barfusslaufen zu einer Liebkosung machten. Die Muster reichten von Blumen bis zu Pfauen, und es gab sogar ein Teppichmuster, das mir selbst an trüben Tagen ein Lächeln entlockte. Es waren springende Makaken, Affen, die ihr Unwesen bei einem Dorffest trieben. All das wurde gekrönt von dem Anblick, den die Decke meines Raumes bot, eine hoch gewölbte Kuppel, die ganz und gar mit Silber ausgeschlagen war. Wenn ich abends auch nur eine einzige Kerze anzündete, war der Raum wie von Mondlicht durchflutet. Und wenn ich in diesem Licht auf meiner Duduk spielte, dann hatte ich beinahe ein Gefühl von zu Hause.
    Aber nur beinahe. Ich vergaß niemals ganz, was mein Ziel war: Fliehen. Meine Eltern wiedersehen. Nur einmal noch.
    Ammar ließ sich oft von mir auf der Duduk vorspielen, und er hatte auch mehrfach das Lager mit mir geteilt, aber als ich nicht schwanger wurde, verlor er das Interesse an mir. Trotzdem blieb meine Position im Harem stark, auch, weil ich mit dem Großmogul Aurangzeb das Bett geteilt hatte. Die anderen Frauen wollten von mir wissen, wie es denn um die Männlichkeit des Großmoguls bestellt gewesen sei – es war offensichtlich, dass sie mich um meine größere Erfahrung beneideten. Die meisten wurden als Jungfrauen in den Harem verkauft oder verschleppt und kannten nur ihren Besitzer.
    Zuerst dachte

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