Die Hexengraefin
hatte.
Richelieu kam dieser »verräterische Briefwechsel mit dem Feind« gerade recht. Der König sollte unbedingt das Gefühl bekommen, dass er, ein Mann, der bereits von vielen verraten worden war, nun auch von seiner Ehefrau hintergangen worden sei. Das würde ihn umso enger an seinen Ersten Minister binden.
Richelieu hasste zwar nicht die Frauen, aber ihren Einfluss in der Politik. Diesen galt es, so gering wie möglich zu halten.
Ein ungelöstes Problem bestand allerdings darin, dass der König keinen Erben hatte. Der Thronfolger wäre aller Voraussicht nach sein Bruder, Gaston von Orléans, ein Mann mit schwarzen, dichten, über der Nase zusammengewachsenen Augenbrauen und stets offen stehendem Mund, was ihm den Anschein eines Schwachsinnigen verlieh. Nach Richelieus Meinung war er dumm, arrogant, schwach und höchst gefährlich. Immer wieder hatte Monsieur, wie man den Bruder des Königs titulierte, gegen Ludwig intrigiert, um die Krone Frankreichs für sich zu erringen.
Königin Anna, eine Habsburgerin aus der spanischen Linie, war eine hochgewachsene, hübsche, blonde Frau, füllig, mit ausdrucksstarken, blauen Augen, einer etwas zu langen Nase, aber dafür mit einem entzückenden, kleinen, roten Mund. Sie pflegte sich gut und geschmackvoll, aber nicht prunkvoll zu kleiden.
Die Königin, deren Hoftitel »Anna von Österreich« lautete, fühlte sich seit Langem als Französin. Beim Volk von Paris, für dessen Wohlergehen sie im Lauf der Jahre viel getan hatte, war sie sehr beliebt. Als einfache Frau oder als Magd verkleidet, pflegte sie die Kranken in den großen Armenspitälern der Hauptstadt.
Weshalb der König seine schöne Frau, die er auf Geheiß seiner überstrengen Mutter, Maria von Medici, als Vierzehnjähriger hatte heiraten müssen, nicht liebte, war schwer zu begreifen. Man munkelte allerdings von männlichen Günstlingen …
Nun wollte der Kardinal, der unbedingt einen Sohn des Königs, gezeugt mit dessen Gattin, einst auf Frankreichs Thron zu sehen wünschte, sich deshalb die angeblichen Wunder, welche mittels dieses seltsamen Hemdes geschahen, genauer betrachten.
Zwar hielt er nichts von diesem Aberglauben, doch alle diese »Wunder« konnten nicht purer Phantasie entsprungen sein. Vielleicht konnte das »heilige Öl« des Apostels Thomas der unfruchtbaren Königin zu einem Thronfolger verhelfen? Sie war schon über dreißig, und es eilte allmählich. Es musste doch irgendwie möglich sein, das Interesse des Königs an seiner Frau zu wecken.
Einmal – in einer seltenen Anwandlung von Intimität seinem Ersten Minister gegenüber – hatte der Monarch dem Kardinal gestanden, was er gelegentlich in seiner Phantasie erlebte: »Schlagen möchte ich sie manchmal, diese intrigante Person. Nach beinah zwanzig Jahren kann ich von ihr nicht sagen, dass ich mich an sie als meine Frau gewöhnt habe.«
Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um einen Dauphin zu zeugen …
KAPITEL 66
»NUN HAT DER KAISER endlich wieder den Friedländer als Generalissimus seiner Truppen gewonnen.«
Der Kardinal, bleich und schmal, noch von den furchtbaren Schmerzen seines letzten Gichtanfalls gezeichnet, setzte sich aufrecht hin. Das gerade Sitzen auf dem Sessel mit der hohen Lehne bereitete ihm trotz der weichen Polsterung ein wenig Mühe.
Seine eingefallenen Wangen in dem asketischen Gesicht waren leicht gerötet. Er ereiferte sich jedes Mal, wenn er über Politik sprach. Seine schwarzen, intelligenten Augen funkelten lebhaft.
Comtesse Adelaide, die von der Mutter Oberin zu den abendlichen Feierlichkeiten anlässlich des hohen Besuches eingeladen worden war, hatte sich für diesen Abend mit ihrem Äußeren besondere Mühe gegeben. Ihr Ballkleid, das sie zuletzt in Straßburg getragen hatte, hatte sie sich von Anne anlegen lassen und in ihr wunderschönes, langes Haar hatte ihre Zofe Perlenschnüre eingeflochten, die mit ihrem Perlmuttglanz das tiefe Schwarz ihrer Haarpracht noch verstärkten.
Es war einfach angenehm, sich wieder einmal für einen Mann schön machen zu können, selbst wenn dieser ein Kleriker war und für sie nicht infrage kam. Während Anne ihr das Perlenkollier schloss, musste Adelaide an den Comte Bernard de Grandbois denken, der sich im Gasthof Lion d’Or in Tonnerre als so tapfer erwiesen hatte. Als ihr seine strahlenden, braunen Augen und sein Lächeln mit den weißen Raubtierzähnen einfielen, bedauerte sie es sehr, dass nicht er es war, für den sie sich von ihrer Zofe schmücken
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