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Die Hexenjagd von Salem Falls

Die Hexenjagd von Salem Falls

Titel: Die Hexenjagd von Salem Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Bewegung. »Eines Morgens ist sie wach geworden und hatte einen entzündeten Hals. Klar – bloß eine Halsentzündung, wie sie Kinder schon mal kriegen. Sie hatte nur etwas Temperatur. Und ich … ich mußte doch arbeiten. Also hab ich sie oben bei meinem Dad auf die Couch gepackt, wo sie sich im Fernsehen Zeichentrickfilme angucken konnte, und bin runter in den ›Diner‹. Ich dachte, es würde schon von allein wieder weggehen. Wenn es nach dem Mittagsansturm nicht besser wäre, wollte ich mit ihr zum Arzt gehen.« Addie senkte den Kopf, ihr Profil wie in Silber gestochen. »Ich hätte sofort mit ihr zum Arzt gehen müssen. Ich hab einfach nicht für möglich gehalten, daß sie was Ernstes hat.«
    »Bakterielle Meningitis«, murmelte Jack.
    »Um 17 07 Uhr ist sie gestorben. Ich weiß noch, daß im Fernsehen die Nachrichten liefen, und ich dachte, Die brauchen mir wirklich nicht zu erzählen, was für furchtbare Sachen auf der Welt passieren, das Furchtbarste erlebe ich gerade selbst .« Schließlich blickte sie Jack in die Augen. »Ich weiß, daß Chloe das Sandwich nicht essen wird, das ich ihr abends hinstelle, nie wieder. Aber ich muß es ihr hinstellen. Und ich weiß, daß sie mir nie wieder vor die Füße laufen wird, wenn ich serviere, aber ich wünschte, sie würde es tun … also tu ich einfach so.«
    »Addie –«
    »Auch wenn ich mir das Hirn zermartere, ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wie ihr Lächeln ausgesehen hat. Oder ob ihre Haarfarbe eher golden oder eher gelb gewesen ist. Es wird schlimmer … schwerer … mit jedem Jahr. Ich habe sie einmal verloren«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Ich ertrage es nicht, sie immer wieder zu verlieren.«
    »Auch ein Arzt hätte vielleicht nicht rechtzeitig die richtige Diagnose gestellt, Addie. Auch nicht, wenn du sie morgens gleich zu ihm gebracht hättest.«
    »Ich war ihre Mutter. Es war meine Aufgabe, das Beste für sie zu tun.«
    »Du hast nur getan, was du für richtig gehalten hast.«
    Aber sie antwortete nicht. Statt dessen starrte sie auf die aufgeworfene, verbrannte Haut in seiner Handfläche, auf der sich Narben bilden würden. Langsam, damit er Zeit hatte, zurückzuweichen, kniete Addie sich hin und beugte sich über Jacks Hand. Küßte sie. Unwillkürlich zuckte er zusammen.
    Sofort zog sie sich zurück. »Es tut noch weh.«
    Jack nickte. »Ein bißchen.«
    »Wo?«
    Er zeigte auf sein Herz, unfähig zu sprechen.
    Als Addies Lippen über seine Brust streiften, hatte Jack ein Gefühl, als summe sein Körper eine Melodie. Er schloß die Augen, hatte Angst, die Beherrschung zu verlieren und sie in die Arme zu nehmen, hatte noch größere Angst, daß sie zurückweichen würde. Schließlich tat er gar nichts, ließ einfach zu, daß sie sich an ihn schmiegte, während er die Arme hängen ließ. »Besser?« murmelte Addie.
    »Ja«, antwortete Jack. »Perfekt.«

April 2000
Salem Falls,
New Hampshire
    Gillian beobachtete ihren Vater, der in seinem Büro telefonierte, und während ihm die Worte wie Öl von den Lippen tropften, fragte sie sich, wie es wohl wäre, ihm in den Kopf zu schießen.
    Sein Gehirn würde auf den weißen Teppichboden spritzen. Seine Sekretärin, eine ältere Frau, die stets aussah, als würde ihr ein Pflaumenkern im Hals stecken, würde wahrscheinlich einen Herzanfall bekommen. Na, das war alles viel zu brutal, zu offensichtlich , dachte Gilly. Besser wäre es, ihn langsam zu vergiften, ihm eins von seinen kostbaren Medikamenten ins Essen zu tun, bis er eines Tages einfach nicht mehr aufwachte.
    Gilly mußte grinsen, und ihr Vater blickte zu ihr auf und lächelte ebenfalls. Er legte die Hand auf die Sprechmuschel. »Noch eine Minute«, flüsterte er und zwinkerte.
    Es überkam Gilly manchmal ganz plötzlich: dieses Gefühl, daß sie explodieren würde, daß ihre eigene Haut zu eng war, als ob der Zorn so gewaltig und schnell in ihr anschwellen würde, daß er ihr die Kehle zuschnürte. Manchmal hatte sie den unwiderstehlichen Drang, mit der Faust durch eine Scheibe zu schlagen; dann wieder weinte sie hemmungslos. Mit ihren Freundinnen konnte sie nicht darüber reden, denn es konnte doch immerhin sein, daß es nur ihr so erging, weil sie völlig durchgeknallt war. Vielleicht hätte sie sich ihrer Mutter anvertraut, aber sie hatte nun mal seit vielen Jahren keine Mutter mehr.
    »So!« sagte ihr Vater triumphierend und legte auf. Er legte einen Arm um ihre Schultern, und Gillian wurde von den Gerüchen umhüllt, die sie an

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