Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
Liebes.“
D rei Wochen musste ich das Bett hüten. Zeitweise plagten mich Fieberfantasien, durchsetzt mit realen Kindheitserlebnissen, angenehmen wie aufpeitschenden: Wilde Reitereien, gehetzt werden, ich kam nicht voran, wurde eingeholt. - Dann feine Spinettklänge - und immer wieder dieser traurig blickende Bub, der mich mit beiden Armen herbeiwinkte. - Plötzlich krachte ein Baumstamm auf mich, nein, ein Ungeheuer! Ich schlug um mich, schrie auf.
„Ruhig, Tora, beruhige dich, es war nur ein Traum. Ist ja vorbei, Liebes.“
Allmählich ebbten die Fieberträume ab, und schließlich waren sie verflogen. Ich begann zu genesen.
Während der zurückliegenden Wochen hatten mich ausschließlich die Äbtissin, Palmatia und Magda betreut. Momentan saß wieder die Äbtissin an meinem Bett und hörte sich mitfühlend den Bericht meiner Fieberträume an.
„So aufwühlend diese Träume auch waren“, tröstete sie mich anschließend, „sie haben dein Gemüt erleichtert, es war eine Seelenreinigung. Und gleichsam hat sich dir das Tor der Erinnerung ein wenig aufgetan.“
Das konnte ich bestätigen: „Ja, dieses Tor hat mir einen entscheidenden Einblick geboten.“ Die neuerliche Erinnerung an jenes Geschehen versetzte mich in äußerste Erregung. „Tante Anna, ich habe erkannt, dass mein Unfall in Wahrheit eine Vergewaltigung war. Jemand hat mich geschändet und anschließend ermorden wollen.“ Ich musste eine kurze Pause einlegen, ehe ich etwas ruhiger fortfahren konnte: „Doch so erschreckend diese Erkenntnis zunächst für mich war, inzwischen erleichtert sie mich. Denn nun reimt sich mir vieles zusammen. Unter anderem weiß ich jetzt, woher mein häufiges zwanghaftes Aufbegehren rührt - vielmehr rührte, denn nun bin ich befreit davon. Es war gegen niemand anderen als diesen bestialischen Schandtäter gerichtet.“
Sie sah mich ernst mit ihren dunklen spanischen Augen an, als sie mir darauf darlegte: „Tora, Opfern wie dir wird gerne eingeredet, sie selbst trügen die Schuld an der ihnen zugefügten Gewalt und seien somit im höchsten Maße sündig.“
„Wie bitte? Wer vertritt denn eine solch obskure Ansicht?“
„Darauf will ich dir nicht antworten. Entscheidend ist alleine, du selbst siehst diese Angelegenheit im richtigen Licht.“
N ach diesem aufklärenden Gespräch erholte ich mich rasch. Gleichzeitig kehrte mein früherer Optimismus zurück, der nun noch heller in mir lachte, da ich von meinem bisherigen Auflehnungsdruck erlöst war. Und um mir die Zeit zu verkürzen, vertiefte ich mich wieder und wieder in die für mich so aufschlussreichen und effizienten Schriften der Hildegard von Bingen und des Paracelsus.
Gerade sinnierte ich über eine Verhaltensformel der Hildegard, als mich ein Türklopfen zurück ins Tagesbewusstsein zwang. Nach meiner Aufforderung trat Palmatia ein, wie versprochen, mit einer Schale jener chirurgischen Instrumente, die sie später für meine Gesichtskorrektur verwenden, mir aber bereits heute vorführen will.
„Ohja, zeig her“, bat ich Palmatia, sie aber forderte mich auf:
„Zuvor binde dein Haar zurück, ich will bei dieser Gelegenheit prüfen, ob deine Haut auf die Machendeltinktur, die ich zur Vorbeugung gegen eine Entzündung auftragen muss, nicht etwa auch allergisch reagiert.“
Ich band mit dem Schapel alles Haar aus dem Gesicht, setzte mich dann neben sie auf die Bettkante, und sie erklärte mir: „Mit dieser Lanzette werde ich die zwei kleinen Schnitte durchführen, mit der Pinzette hier entferne ich danach eventuell störende Hautzipfel, und mit diesen beiden Spateln dehne ich dann die Schnittstellen so weit wie nötig. Alles andere ist Verbandsmaterial sowie ein Öl, das anschließend auf die Wunden getupft wird, es stillt die Blutung und regt zu neuer Hautbildung an. Sieht doch niedlich aus, wie Spielzeug, nicht? So, und nun probieren wir die Tinktur aus.“
Sie umfasste mit dem linken Arm fest meinen Kopf, wobei sie mich warnte: „Erschrick nicht, es wird etwas brennen.“
Gleich drauf schrie ich zusammenzuckend auf: „ A u t s c h !“, worauf sie mich ermahnte:
„Stillhalten, ist gleich vorbei.“
Während sie weiter an der schmerzhaften Haut hantierte fragte sie: „Tat es sehr weh? Nicht zappeln, ich muss die Tinktur gleichmäßig verteilen.“
„Ja, es tat sehr weh!“
„Och, was bist du für ein Piepsküken. - Halt still. Was glaubst du, wie tapfer sich meine Patienten in der Ordination . .“
„ A u u u u !“
„Gut, gut, gut“, redete sie
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