Die Hexenköchin: Historischer Roman (German Edition)
in dessen Küche ich zwei Klosterköche kennen lernte.
Zum Abschluss führte mich Cäcilie durch die zweigeschossige Hechinger Kaufhalle, von der sie mir erklärte, darinnen böten über hundert verschiedene Krämer ihre Waren feil.“
Die vielen in- und ausländischen Angebote in diesem Haus überwältigten mich. Düfte fremder Gewürze und Tees füllten teilweise die Halle, solide Handwerkszeuge wurden neben Haushaltsartikeln und praktischen Kurzwaren feilgeboten. Ich bewunderte kostbare venezianische Glaswaren, orientalische Seidenstoffe und verschiedenartige Wanduhren. Am wenigsten wollte sich schließlich mein Blick von den buntbemalten irdenen Küchengefäßen lösen - könnten wir von diesen schönen Gefäßen doch einige in unserer Klosterküche haben!
Cäcilie hatte ihre Last, mich nach bestimmt einer Stunde endlich zum Verlassen des Kaufhauses zu bewegen, und auf unserem Heimweg mussten wir uns dann sputen, um noch rechtzeitig zum Abendbrot das Kloster zu erreichen.
Diese Stadtbesichtigung, die noch mehrere Nächte lang meine Träume bestimmte, war mein bisher eindrucksreichstes Erlebnis außerhalb des Klosters.
Schlug man vom Kloster aus die entgegengesetzte Richtung ein, so führte die Landstraße leicht bergan durch Felder und Viehweiden. Diese Richtung wählte eines Tages die junge, erst vor kurzem zur Nonne geweihte Schwester Angelika mit mir, lenkte mich aber bald von der Straße ab und über einen Reitweg einen Hügel hinauf. Auf dessen Gipfel angelangt, erklärte sie mir in seltsam wehmütigem Ton: „Das imposante Schloss, das sich auf dem Berg vor unserem Auge ausbreitet, ist der Sitz unseres Grafen.“
Ich wollte mehr darüber erfahren, sie aber drängte: „Lass uns weitergehen. Hauptsache, du hast diesen Hügel, den eure Lehrerinnen mehrmals mit euch aufsuchen werden, kennen gelernt.“
In ihrer Stimme hatte noch immer Wehmut geschwungen - was quälte sie?
Angelika, Tochter des Ritters von Vossenberg, hatte ich bei meinen Ausflügen am liebsten an der Seite. Sie war die jüngste und gleichsam weltlichste aller Nonnen und erklärte mir das Leben der Dörfler und Städter stets so anschaulich, dass sich meine anfängliche Scheu vor der Außenwelt in Neugier wandelte. Viele Dörfer waren noch heute Lehen eines Rittergutes, einer Baronie, oder eines größeren Klosters, erfuhr ich von ihr. Auch die Burg ihrer Eltern sei von einem Lehnsdorf umringt. Die Werkstätten, Höfe und Felder jener Dorfbewohner waren also Besitz ihrer Feudalherrschaft, die das Dorf samt aller Gebäude instand hielt. Als Gegenleistung mussten diese Dörfler ihrer Feudalherrschaft etwa ein Drittel ihrer Jahreseinnahme oder Ernte abgeben, und da sie darüber hinaus von ihrem verbliebenen Gewinn der Kirche jährlich ‚den Zehnten’ zu erstatten hatten, waren einige von ihnen bis zur Hungergrenze verarmt. Zur Demonstration des zuletzt Gesagten, führte mich Angelika in der nicht weit vom Kloster gelegenen Baronie Vielbach an Bauernhöfen vorbei, in denen jede Familie in nur einem Raum zusammen mit ihrem Vieh hauste, sie betonte jedoch, solche Zustände gehörten heute zur Ausnahme. Im krassen Gegensatz zu diesen Verarmten, berichtete sie mir, lebten in Deutschland einige Bürger, die vermögender seien als so mancher Feudalherr, sie denke nur an die Bankiers, an Großhändler, Juweliere und an freie Winzer. Doch müssten diese Herren entsprechend ihrer Einkünfte enorm hohe Steuern entrichten, die letztendlich über Kaiser Karl V. rückwirkend jedem Bürger unseres Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zugute kämen. „So jedenfalls wird es der Bevölkerung glauben gemacht“, ergänzte Angelika mit unverhohlener Ironie.
Langsam begriff ich, überall wurden Regeln erstellt, Regeln, Ordnungen, Gebote und Verbote, gegen die dann aus persönlichen Interessen verstoßen wurde. Wobei nicht mal unser als vorbildlicher Christ gerühmter Kaiser eine Ausnahme darstellte, er betrog sein eigenes Volk. In meiner Naivität hatte ich bislang die Regierenden, sowohl die kirchlichen als auch die weltlichen, für die aufrichtigsten aller Menschen gehalten. Wie hätte ich auch anders gekonnt, es war mir schließlich so beigebracht worden. In meinem Wissensdurst stellte ich Angelika Frage über Frage über das weltliche Leben, die sie mir alle bereitwillig und ungeschönt beantwortete. So erfuhr ich auch, was mir partout nicht in den Kopf wollte, dass die Äbte größerer Klöster gleichsam militärische Offiziere und ihre Mönche
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