Die Hexenmeister
den Hexenmeister in einem Nonnenkloster finden werden? Das will mir nicht in den Kopf.«
»Zumindest habe ich ihn schon gesehen«, wich ich einer direkten Antwort aus.
»Du hast was…?« Er wollte aufspringen, doch ich konnte ihn beruhigen und begann mit meinem Bericht.
Romano durchlebte eine Hölle für sich, als er meinen Erzählungen lauschte. Er schüttelte dabei immer wieder den Kopf und fing an zu fluchen. Doch er machte mir keinen Vorwurf. An seiner Stelle hätte er ebenso gehandelt. »Dieser Valentin ist also unterwegs, John. Er wird sich nicht aufhalten lassen. Er hat meinen Vater getötet, weil er auf Marias Seite stand. Könnte es so werden, daß er seinen verfluchten Rachefeldzug fortsetzt und sich all die Menschen vornimmt, die einmal gut zu Maria, dem Schutzengel, gewesen sind?«
»Das wäre möglich.«
»Und wer war alles gut zu ihr?«
»Zumindest die Schwestern im Kloster.«
»Ja, verdammt, ja, du hast recht. Die Schwestern im Kloster. An sie müssen wir herankommen, und es kann dann auch sein, daß wir auf den Mörder treffen.«
»Das hoffe ich.«
»Trotzdem fehlt mir noch der richtige Durchblick«, flüsterte er. »Leider wußte mein Vater auch nicht mehr.«
»Wir werden es herausfinden.«
»Gut, John, gut.« Er schaute auf die Uhr. »Ich muß dem Pfarrer und dem Leichenbestatter Bescheid geben. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Warte solange auf mich.«
Er stand auf. »Du kannst hier im Haus bleiben oder in eine Cantina gehen. Das ist mir gleich.«
Ich entschied mich für die Cantina und ließ mir von Romano den Weg beschreiben. Es war besser für ihn, wenn ich ihn jetzt nicht störte.
Wieder einmal hatte ich erlebt, wie brutal und hart das Leben sein konnte. In derartigen Situationen machte mir der Job keinen Spaß.
Die beiden Tische standen draußen vor der Cantina. Erst als ich mich niederließ, war einer besetzt. Ich hatte zuvor bei einer dunkelhaarigen Frau eine Bestellung aufgegeben. Sie servierte mir mein Mineralwasser.
Dabei sah sie aus, als wollte sie mir eine Frage stellen, hielt sich aber zurück, denn mein Blick ließ darauf schließen, daß ich allein sein wollte, trotz des Trinkgeldes, das ich gab.
War mein erster Eindruck von Locanto der einer Erstarrung gewesen, so hatte sich dieses Bild geändert. Es herrschte zwar kein Trubel, aber ich spürte die Veränderung.
Da tat sich etwas hinter den Kulissen, obwohl es keine sichtbare Unruhe gab.
Dafür hörte ich Stimmen. Manchmal laut, dann wieder leise, auch entsetzt und geschockt.
Es hatte sich also herumgesprochen, was geschehen war. Zwei Männer rannten in meiner Nähe vorbei und verschwanden in einer schmalen Gasse, die zum Hafen führte. Ich konnte ebenfalls hindurchblicken und sah einen schmalen Ausschnitt des blaugrau daliegenden Meeres, auf dessen Oberfläche das Sonnenlicht einen hellen Teppich gelegt hatte.
Romantik im Herbst.
Zu schön, um wahr zu sein. Immer wieder mußte das Schicksal mit Brachialgewalt zuschlagen, und auch an diesem Tag war ich ihm nicht entwischt. Ich trank das Wasser. Es war angenehm, denn es hatte keinen so großen Gehalt an Kohlensäure aufzuweisen.
In kleinen Schlucken ließ ich es die Kehle hinabrinnen. Im Hals spürte ich das Prickeln. Sonnenlicht wärmte mein Gesicht. Hinter mir öffnete die Frau einen Fensterladen, um ebenfalls Licht in die etwas düstere Cantina zu lassen.
Mich umgab eine gespannte Stille, die einen Menschen schon schläfrig machen konnte. Nur war ich davon meilenweit entfernt. Ich war hellwach und topfit. Zudem konnte ich mir vorstellen, daß irgend etwas passieren würde. Meiner Ansicht nach lag in der Luft eine gewisse Spannung, die wie ein leichtes Rieseln über meine Haut fuhr. Deshalb auch meine Unruhe, die mich zwang, mich immer wieder zu bewegen.
Ich drehte mich auf dem roten Plastikstuhl nach rechts und links. Hörte mal eine Stimme, sah den Schatten eines Menschen, und alles kam mir vor, als läge zwischen mir und den anderen eine Glasplatte, die ich nur mühsam durchblicken konnte.
Seltsam…
Ich bewegte zwinkernd meine Augen. Dann spürte ich den plötzlichen Energiestoß. Genau auf meiner Brust, und zwar dort, wo das Kreuz seinen Platz gefunden hatte.
Hielt sich ein Feind in der Nähe auf?
Meine Muskeln krampften sich zusammen. Aus irgendeiner Ecke beobachtete man mich.
Augen, die ich nicht sah, die mich aber entdeckt hatten.
Ich schaute wieder hoch. Und da stand sie.
Kein Mensch, kein Geist, eine Mischung aus beidem, einfach
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