Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe
es doch nur ganz verständlich, dass er sich an mir rächen will!«
»Wie kannst du so etwas auch nur sagen!« Isanas Augen blitzten empört auf. »Schließlich ist es Taru, der sich die Hände schmutzig gemacht hat, und nicht du! Wie konnte er sich zusammen mit diesem Tölpel Rar nur dazu hinreißen lassen, dich zu entführen?«
»Weil er glaubt, ich hätte Dragosz umgebracht«, antwortete Arri leise.
»Nein«, Isanas Augen blitzten, »weil er ein brutaler Kerl ist und ein Hornochse dazu. Du bist doch unschuldig!«
»Ja. Aber das weiß Taru doch nicht.« Arri beugte sich so weit vor, dass sie fast das Gleichgewicht verloren und nach vorn gekippt wäre. »Glaubst du etwa, mir geht es anders als diesem Großmaul? Was meinst du, was ich mit dem mache, der mir das angetan hat? Glaubst du vielleicht, ich würde Dragosz’ Mörder so einfach davonkommen lassen?« Sie ließ sich wieder zurücksinken. »Ich werde alle, die daran beteiligt sind, umbringen«, schwor sie. Und es erschrak sie fast selbst, wie leblos ihre Stimme klang – so, als sei jedes Gefühl in ihr erstorben.
»Nun übertreib mal nicht so«, sagte Isana. »Vielleicht ist ja überhaupt niemand daran schuld. Vielleicht war es auch nur ein Unfall.«
»Ein Unfall.« Jetzt begann das Leben in Arri zurückzukehren, wenn auch nur in Form schmerzhafter Wellen der Empörung. »Du bist ja nicht ganz bei Trost! Irgendjemand muss den Opfertrank vergiftet haben. Ich könnte mir vorstellen, dass es Pilze waren, vielleicht ein Raukopf oder eine Lorchel. Das würde auch erklären, warum nicht alle von dem Gift gleich schwer betroffen waren. Die Sommerlorchel wird von vielen Menschen vertragen, während sich andere in Krämpfen winden …«
»Oder sterben.« Isana nickte. »Das hast du mir schon ein paar Mal gesagt. Du solltest aufhören, so viel über etwas nachzudenken, das sich doch nicht mehr ungeschehen machen lässt.«
»Ich lasse mir doch meine Gedanken nicht nehmen«, widersprach Arri heftig. »Schließlich will ich wissen, wer mir – wer uns! – das angetan hat. Ist dir denn am Tag des Festes wirklich gar nichts aufgefallen?«
»Die Götter stehen mir bei: Nein!« Vor lauter Erregung hüpfte Isana auf dem Boden herum. »Das habe ich dir auch schon öfter erzählt, als mich Mücken in der letzten Nacht gebissen haben. Also lass es endlich gut sein.«
»Ich kann es aber nicht gut sein lassen«, murmelte Arri grimmig. »Ich werde die Schuldigen finden und töten. Oder besser gesagt: zu Tode quälen. Vielleicht mit siedendem Öl übergießen. Und ihnen dann bei lebendigem Leib die Haut abziehen. Steinigen oder unter Wasser drücken ist doch viel zu schade für sie …«
Isana sah jetzt ein wenig erschrocken aus. »Ja, ich weiß schon, was du meinst«, sagte sie hastig. »Aber ich fürchte, Taru wird dir dazu kaum die Gelegenheit geben – selbst dann nicht, wenn du ihm einen Schuldigen auf dem Bronzeschwert präsentierst. Er wird dich töten, noch bevor der neue Hohepriester von Goseg auch nur auf die Idee kommt, einen Prozesstermin anzusetzen!«
»Das bliebe noch abzuwarten«, antwortete Arri. »Außerdem ist da auch noch Abdurezak.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Isana düster. »Taru ist jung und kräftig. Und Abdurezak … nun ja, doch schon ziemlich alt. Irgendwie habe ich das Gefühl, es gab ihn schon immer.«
»Ja … also, in deinem Alter …«
»Du bist doch kaum älter als ich!«, fiel ihr Isana ins Wort. »Gerade mal zwei Sonnenwenden!«
»Ja, zwei Sonnenwenden.« Arri erschauerte, als ihr bewusst wurde, welch wilden Verlauf ihr Leben genommen hatte. In Isanas Alter hatte sie noch glücklich und behütet in ihrem Heimatdorf gelebt. Inzwischen aber hatte man ihre Mutter erschlagen, ihren Mann vergiftet und ihr den Sohn weggenommen. »Ich vertraue Abdurezak«, sagte sie und hoffte, dass Isana das leichte Zittern in ihrer Stimme nicht auffiel. »Er wird Taru in seine Grenzen verweisen, wenn das nötig ist.«
»Und ob das nötig sein wird«, schimpfte Isana auf, »Taru hat schon einmal versucht, dich umzubringen. Das wird er auch wieder tun!«
»Du meinst, weil er öffentlich gedroht hat, mich unter zu Wasser drücken, bis ich ersticke, falls Amar mir nicht ganz schnell den Prozess macht?« Arri schüttelte den Kopf. »Nein. Das kann ich ihm nicht verübeln. Ganz im Gegenteil: Ich verstehe ihn sogar. An seiner Stelle würde ich vielleicht genauso toben.«
»Das ist doch verrückt«, entfuhr es Isana. »Wie können denn er und all die
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