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Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 02 - Die Kriegerin der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich auch nur auf den nächsten Schritt zu konzentrieren. Sie versuchte, alles wegzudrängen, was an Zweifeln und Ängsten in ihr hochstieg. Aber es wollte ihr einfach nicht gelingen. Gegen ihren Willen musste sie an die verhangene Vollmondnacht denken, in der sie zum ersten Mal allein aus dem Dorf und zum Steinkreis hatte schleichen wollen, und in der ihre Knie mindestens genauso wacklig gewesen waren wie jetzt. Plötzlich hatte sie Schritte hinter sich gehört, und ihr Herzschlag hatte fast ausgesetzt, als ein Schatten auf sie zugekommen war …
    Es war Lea gewesen, natürlich. Ihre Mutter hatte sie mit scharfen Worten zurückgerufen, und das nicht nur dieses eine Mal, sondern immer wieder, wenn es Arri in den Nächten zum Steinkreis gezogen hatte, zu diesem Ort purer Magie, der sie von Kindesbeinen an gefesselt hatte.
    Jedes Mal war es niederschmetternd gewesen. Aber nicht nur das. Trotz all ihrer Empörung, trotz ihres Wunsches, den Steinkreis allein zu untersuchen, um ihm seine Geheimnisse zu entreißen, hatte sie sich dort auch ein Stück … behütet gefühlt. Lea war immer da gewesen, sie hatte stets ein wachsames Auge auf sie gehabt, gleichgültig was passiert war.
    Sie hätte gern geglaubt, dass dies auch heute noch so war. Aber sie war ja kein kleines dummes Kind mehr, sie war eine Heilerin, die für gewöhnlich sehr gut zwischen Wunschdenken und harter Wirklichkeit unterscheiden konnte.
    Und das, was sie jetzt erlebte, war nichts als die Wirklichkeit. Grausame, niederschmetternde Wirklichkeit.
    Der Wind wisperte, die Stimme in ihrem Kopf, die wie die ihrer Mutter klang, nahm das unruhige Auf- und Abschwellen auf und verwandelte es in Worte. »Du bist vor ein paar Tagen dort oben gewesen«, glaubte Arri zu hören. »Du hast Kräuter gesammelt. Dunkle Kräuter, die Kraft spenden. Helle Kräuter, die die Heilung anregen. Und du hast nach dem Runzelkraut gesucht, das ich dir in einer Vollmondnacht gezeigt habe. Jenes, das man nur selten findet, und dann auch nur dort, wo sich ein reicher Nährboden für Schlingpflanzen befindet …«
    Das Runzelkraut. Arri nickte. Noch wenige Tage vor seinem Tod hatte Dragosz von ihr verlangt, dass sie dieses ungewöhnliche Kraut suchen sollte. Er war dabei ungewohnt ernst und eindringlich gewesen, und als sie seine Bitte mit dem Hinweis auf das bevorstehende Fest mit einer fröhlichen Bemerkung hatte ablehnen wollen, hatte er sie am Arm gepackt und ihr tief in die Augen gesehen:
    »Dieses Kraut ist wichtig, Arri. Sehr wichtig sogar!«
    »Sogar so wichtig, dass wir deswegen unser kleines Fest verschieben müssen«, hatte sie lächelnd geantwortet.
    Dragosz hatte nicht gelächelt. Er hatte darauf bestanden, dass sie sofort in die Hügel ging, um Runzelkraut zu suchen. Und sie hatte ihm gehorcht.
    Ein gutes Stück weiter gab es einen berüchtigten Schlingpflanzenwald, in den man zwar hineinkam, wie es hieß, aber niemals mehr wieder heraus. Mitten in dem Wald sollte es auch jede Menge Runzelkraut geben. Es von dort zu holen war wegen der aggressiven Schlingpflanzen aber lebensgefährlich. Also hatte sie es in den Hügeln versucht, wo es einige wenige Mulden gab, aus denen Schlingpflanzen über den feuchten Boden wucherten.
    »Ich habe die Hunde jetzt auf deine alte Spur gehetzt …« Leas Stimme wurde immer leiser, bis sie fast unhörbar war.
    Doch es war Unsinn. Ihre Entkräftung gaukelte ihr vor, die Stimme ihrer Mutter zu hören, und sie log, die Hunde würden eine alte Spur von ihr verfolgen. Das aber war vollkommen ausgeschlossen. Sie kannte die Dorfhunde, oft genug hatte sie gemeinsam mit ihnen herumgetollt oder ihnen heimlich etwas zu fressen gegeben, Aas oder Fischabfälle. Es war völlig unmöglich, dass diese hellwachen Mischlinge nicht eine frische Fährte von einer, die ein paar Tage alt war, unterscheiden konnten.
    »Du hast die Hunde nicht auf meine alte Spur gehetzt, Mutter«, sagte sie leise. »Irgendetwas muss sie aufgeschreckt haben. Sie verfolgen jemanden. Vielleicht diese Keulen schwingenden Barbaren, von denen die Jäger berichtet haben. Vielleicht aber auch Krieger aus Goseg. Vielleicht steht ja ein Angriff bevor.« Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach: »Und vielleicht kann ich mir das sogar zunutze machen.«
    Das leise Raunen des Windes antwortete ihr, ein klagender, anhaltender Laut, in den sich alles und nichts hineindeuten ließ. Auch die Stimme ihrer Mutter raunte: »Wen willst du töten? Deine Verfolger – oder dich selbst?«
    »Ich will

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