Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
»Saint Enoch« hatten mehrere englische und amerikanische Schiffe schon einen recht guten Fang gehabt. Die sogenannten Glattwale sind leichter zu erbeuten als die anderen; sie haben ein weniger feines Gehör und man kann sich an sie heranschleichen, ohne ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Leider wüthen hier häufige Stürme und oft auch mit solcher Gewalt, daß die Fahrzeuge fast jede Nacht unter kleiner Besegelung auf dem offenen Meer bleiben müssen, um sich der Gefahr, an die Küste geworfen zu werden, nach Möglichkeit zu entziehen.
In den vier Wochen, die Bourcart in den Gewässern hier verweilte, wurden von der Besatzung elf Wale erbeutet. Zwei davon fing der Obersteuermann Heurtaux, drei der Lieutenant Coquebert, vier der Lieutenant Allotte und zwei der Kapitän selbst. Sie erreichten aber keiner die Größe des ersten, und die Ausbeute davon fiel natürlich auch minder ergiebig aus. Außerdem zogen sich die Spritzfische jetzt schon mehr nach den höheren Breiten zurück. Auch der »Saint Enoch«, der bisher nur neunhundert Fässer voll hatte, mußte nun andere Jagdgründe aufsuchen.
Bourcart gedachte aber vorher noch die Bai des Iles, eine englische Colonie an der Ostküste von Ika-Na-Maui, anzulaufen. An der im Norden der Gruppe gelegenen Insel hoffte er seine Ladung zu vervollständigen, ehe die Fahrt nach den Westküsten Amerikas angetreten wurde. Dort konnte der »Saint Enoch« überdies seine Vorräthe an Kartoffeln ergänzen, und zwar leichter als in der Umgebung von Akaroa, wo diese Knollenfrucht nicht in größerer Menge angebaut wird.
Der Dreimaster lichtete am Abend des 29. März die Anker und am übernächsten Tage bekam er die Bai des Iles in Sicht.
Hier wurde in geringer Entfernung vom Lande geankert. Im Hafen lagen noch mehrere Walfischfänger, die sich bereit machten, von Neuseeland abzusegeln
Gleich nachdem der Kapitän Bourcart beigelegt hatte, erkundigte er sich nach dem Orte, wo er sich mit Kartoffeln versorgen könnte. Man verwies ihn nach einer ein Dutzend Seemeilen vom Hafen im Innern gelegenen Farm. Die Boote der beiden Lieutenants gingen sofort in Begleitung eines als Führer angenommenen Engländers dahin ab.
Sie fuhren einen, sich zwischen hohen Hügeln hinschlängelnden Fluß hinauf. Längs des Ufers standen aus Holz errichtete Maoriwohnungen inmitten von Gärten, deren Erzeugnisse die Eingebornen gern gegen Kleidungsstücke europäischer Herkunft umtauschen. Am Ende der befahrbaren Strecke des Flusses erreichten die Boote eine Farm, wo es Kartoffeln in Ueberfluß gab, mit denen mehrere Binsensäcke gefüllt wurden. An demselben Abend noch an Bord zurückgekehrt, brachten die Boote daneben noch einen hübschen Vorrath vortrefflicher Austern mit, die an den Felswänden des Ufers gesammelt worden waren – ein Labsal für die Officiersmesse wie für die gemeinschaftliche Wohnung.
Am nächsten Tage konnte sich der Tafelmeister des »Saint Enoch« auch eine Menge Zwiebeln aus den Gärten der Maoris verschaffen. Sie wurden wie die Kartoffeln in hergebrachter Weise mit Hosen, Hemden und Stoffen bezahlt, wovon das Schiff zu diesem Zwecke einen großen Ballen mit sich führte.
Uebrigens zeigten sich die Eingebornen, wenigstens in der Umgebung der Bai des Iles, recht entgegenkommend. An anderen Stellen der Inselgruppe kam es jener Zeit freilich leider zu häufigen unruhigen Auftritten. Die Colonisten mußten sich oft gegen die Neuseeländer vertheidigen, und gerade an jenem Tage war ein englischer Aviso aus dem Hafen ausgelaufen, um einige feindliche Stämme zu züchtigen.
Die Officiere und die Matrosen des »Saint Enoch« hatten sich dagegen über den hiesigen Aufenthalt in keiner Weise zu beklagen. Ueberall gastfreundlich empfangen, besuchten sie die Hütten der Eingebornen, wo ihnen Erfrischungen – freilich keine Limonade und kein Bier, denn dergleichen kennen die Eingebornen nicht – in Gestalt vorzüglicher Wassermelonen angeboten wurden. Von solchen strotzte es geradezu in den Gärten, ebenso von nicht minder guten Feigen, unter deren Last die Zweige der Bäume zu brechen drohten.
Bourcart verweilte nur drei Tage in der Bai des Iles. Da er wußte, daß die Wale jetzt diese Gegend verließen, traf er die nothwendigen Maßnahmen für eine lange Fahrt, die sich über viertausend Seemeilen erstrecken sollte.
An der Küste Niederkaliforniens, nahe der Bai Sainte Marguerite war es nämlich, wo der »Saint Enoch« seine so glücklich begonnene Fangreise fortsetzen und
Weitere Kostenlose Bücher