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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht alles zurückzahlen können (auch weil er die beträchtlichen Einkünfte aus seiner antifreimaurerischen Tätigkeit fröhlich ausgab). Darum fürchtete er, dass diese Juden, die bisher noch stillhielten, ihn wegen seiner Schulden ins Gefängnis bringen könnten, wenn sie sich von ihm attackiert fühlten.
    Aber war es nur eine Frage des Geldes? Taxil war ein Filou, keine Frage, aber zu einigen Gefühlen war er schon fähig, zum Beispiel hing er sehr an der Familie. So empfand er wohl ein gewisses Mitleid mit den Juden als Opfern vieler Verfolgungen. Er sagte, die Päpste hätten die Juden im Ghetto geschützt, wenn auch nur als Bürger zweiter Klasse.
    In jenen Jahren fühlte er sich ganz groß: Da er sich für den Herold des katholischen Denkens legitimistischer und antifreimaurerischer Prägung hielt, beschloss er, in die Politik zu gehen. Ich vermochte ihm bei seinen diversen Machenschaften nicht zu folgen, aber er kandidierte für einen Pariser Stadtrat und ließ sich auf eine Konkurrenz und Polemik mit einem wichtigen Journalisten wie Drumont ein, der eine heftige antijüdische und antifreimaurerische Kampagne führte, die viel Gehör bei den Kirchenleuten fand, und nun zu insinuieren begann, dass Taxil ein Intrigant sei – und insinuieren ist vielleicht ein zu schwacher Ausdruck.
    1891 verfasste Taxil eine Streitschrift gegen Drumont, und da er nicht wusste, wie er ihn angreifen sollte (schließlich waren sie beide Antifreimaurer), sprach er von seiner Judäophobie als einer Form von Geistesverirrung. Und verstieg sich dazu, ihm Mitschuld an russischen Pogromen vorzuwerfen.
    Drumont, der ein hochbegabter Polemiker war, antwortete mit einer eigenen Streitschrift, in der er sich über diesen Herrn lustig machte, der sich als Paladin der Papstkirche aufwarf, um sich von Bischöfen und Kardinälen umarmen und gratulieren zu lassen, nachdem er nur wenige Jahre zuvor noch rüpelhaft und verleumderisch über den Papst, über Priester und Ordensleute geschrieben hatte, um nicht von Jesus und der Jungfrau Maria zu reden. Aber es gab noch Schlimmeres.
    Mehrere Male war es mir untergekommen, mit Taxil in seinem Hause zu sprechen, in dessen Erdgeschoss früher einmal seine Librairie Anticléricale gewesen war, und wir wurden oft von seiner Frau unterbrochen, die hereinkam und ihrem Gatten etwas ins Ohr flüsterte. Wie ich später erfuhr, kamen immer noch zahlreiche unbeirrbare Antiklerikale zu dieser Adresse, um nach antikatholischen Werken des inzwischen superkatholischen Taxil zu fragen, der noch zu viele Exemplare davon auf Lager hatte, um sie leichten Herzens zu vernichten. So fuhr er fort, mit großer Vorsicht und immer nur seine Frau vorschickend, ohne je selber in Erscheinung zu treten, auch diese exzellente Ader noch auszubeuten. Aber ich hatte mir nie Illusionen über die Aufrichtigkeit seiner Konversion gemacht: Das einzige philosophische Prinzip, an dem er sich orientierte, hieß pecunia non olet .
    Allerdings hatte das auch Drumont bemerkt, und so attackierte er seinen Konkurrenten nicht nur als einen irgendwie mit den Juden Verbandelten, sondern auch als einen noch immer eingefleischten Antiklerikalen. Genug, um schwere Zweifel unter seinen gottesfürchtigsten Lesern zu säen.
    Ein Gegenangriff war fällig.
    »Taxil«, schlug ich ihm vor, »ich will nicht wissen, warum Sie sich nicht persönlich gegen die Juden engagieren wollen, aber könnte man nicht jemand anderen ins Spiel bringen, der sich dieser Sache annimmt?«
    »Solange ich nicht direkt damit verbunden werde, hätte ich nichts dagegen«, antwortete Taxil und fügte hinzu: »Tatsächlich genügen meine Enthüllungen nicht mehr und auch nicht die Phantastereien, die uns Diana erzählt. Wir haben uns ein Publikum geschaffen, das mehr will, vielleicht lesen die Leute mich nicht mehr, um die Intrigen der Feinde des Kreuzes zu erfahren, sondern aus purer Lust an der narrativen Erfindung, wie es bei jenen intrigenreichen Romanen geschieht, in denen die Leser dazu gebracht werden, sich auf die Seite des Verbrechers zu schlagen.«
     
    * * *
     
    Und so war Dr. Bataille ins Spiel gekommen.
    Taxil hatte einen alten Freund entdeckt oder wiedergefunden, einen deutschen Marinearzt, der in vielen exotischen Ländern gereist war, nicht ohne da und dort seine Nase in die Tempel der diversen religiösen Grüppchen zu stecken, aber der vor allem eine grenzenlose Bildung im Bereich der Abenteuerromane hatte, solcher wie der Bücher von Boussenard oder der

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